19 Aug Endlich Eifel! – oder: der „Traumpfad Wacholderweg“
Ja, ist es denn die Möglichkeit? Am 10. März bin ich zuletzt in der Eifel gewandert. Eine halbe Ewigkeit. Und jetzt gehe ich los, als der Sommer von den Medien bereits ausgeläutet wird. Wie mir das auf den Senkel geht, und selbst lasse ich mich auch noch von den Dumpfplauderern anstecken. „Ist schon wie Herbst, nicht wahr?“, fragte heute ein Radio-Moderator. Die Anruferin war natürlich zum Nicken gezwungen. Und für einen weiteren Moment nickte ich auf der Fahrt in die Eifel mit. Dabei schien die Sonne, prall, satt, volle Kanne. Nicht heiß, aber wirklich warm.
Herrgott, es ist Sommer, nicht schon „wie Herbst“, kein „früher waren die Sommer noch richtige Sommer“. Schmarrn, den wir uns auch einreden lassen, weil ja jede Zeitung, jede Nachrichtensendung dramatischere News vors Volk werfen will als die andere. Da mutieren dann ein strunzgewöhnlicher Regenschauer zur Naturkatastrophe und eine handelsübliche Gewitterfront zur Apokalypse. Es ist, wie es ist, und wenn es anders wäre, wäre es uns oder anderen auch nicht recht.
Heute fühle ich mich nach Sommer, und da lasse ich mir von niemandem etwas anderes einreden. Und die Heide blüht. Und der „Traumpfad Wacholderweg“ wartet. Von Neuwied nach Langscheid ist’s ein gutes Stück, genug Zeit, damit sich die Vorfreude richtig aufbauen kann. Und die Vorfreude wirkt jetzt – beim Schreiben – noch nach. Nachfreude ist auch was Schönes, sich trotz des Alltags daheim noch über das Gewesene freuen können.
Dazu wandere ich auch. Den eigenen Alltag verschönern. Eindrücke aufsaugen und zu Hause langsam, ganz langsam wieder loslassen. Gelingt nicht immer, aber oft genug. Den Traumpfad will ich gar nicht lange schildern, sondern mehr in kurzen Worten wiedergeben. Und gleich eine Anmerkung, vielleicht einen Tipp vorausschicken. Petra und ich sind den Wacholderweg viermal, fünfmal gewandert, und wenn ich mich nicht sehr täusche, immer in der falschen Richtung. Also gegen den Uhrzeiger. Vorgesehen ist, wie angedeutet, die andere Gehrichtung, mit der Uhr. Mein besagter Tipp: Wer den Wacholderweg mal gegangen ist, sollte ihn beim zweiten Mal rechts herum probieren.
Warum? Wie so vieles ist’s Geschmackssache, und der Wacholderweg ist einer der ganz wenigen (vielleicht sogar der Einzige, ich müsste die andere jetzt Revue passieren lassen, wozu ich aber derzeit keine Lust habe) Traumpfade, bei dem wir aus der Reihe tanzen. Ich bin kein Freund des finalen Anstiegs vor dem Ziel – der Anstieg hoch zur Wacholderhütte (dem Ziel) wartet aber, wenn man nach Vorgabe wandert. Dafür mag ich zum Schluss noch einen Höhepunkt – und die gibt’s richtig dick bei unserer Variante: Die letzten Kilometer liegen links und rechts des Wegs die Wacholderheiden, während …
Ach, ich erzähle einfach mal. Garnieren werde ich den kurzen Wanderbericht mit Fotos, die beiden großen Galerien zeigen Fotos der Heidelandschaft am Wabelsberg. Los also bei der Wacholderhütte, keine Menschenseele am Ort, der Parkplatz verwaist. Zu Beginn pfusche ich, nehme die wenigen Meter hoch auf den Wabelsberg, mitten hinein ins Wacholderglück und den Heidenspaß, dann wieder zurück auf den Hauptweg und hinab auf schmalem Pfad in Richtung Nettetal. Bis zum Nettetal aber dauert’s ein wenig, dichter Nadelwald hüllt mich ein und verbirgt die Sonne. Die aber lässt hier und da helle Streifen auf den Weg regnen, taucht ihn in schimmerndes Licht.
Es geht mehr runter als rauf, schmale Pfade wechseln sich mit gut ausgebauten Wegen ab, und anders als sonst in den Sommern gluckert es und sprudelt es links oder rechts von mir. Der regenreiche Sommer hat sein Gutes. Während sonst die Bäche unter der Trockenheit stöhnen wie der Mensch bei zu heißem/zu kaltem/zu lauwarmem Wetter, laufen sie derzeit randvoll zu Tale. Auf weiten Teilen des Wacholderwegs ist das mal laute, mal leise Gluckern der Bächlein das einzige Geräusch, das an die Ohren dringt, abgesehen von Flüchen des Wanderers, der auch mal Schuhkontakt mit einem wegquerenden Wässerchen hat.
Unterwegs lungern Bänke, nicht zu viele, aber wirklich genug, die den einsamen Wanderer vom rechten Weg locken wollen, meist verschönert mit netten Aussichten ins Nettetal oder über die Eifelhöhen oder überhaupt auf sehr viel Grün. Auch ein Bonuspunkt für diesen Sommer: Das Grün ist nicht gelb und verdorrt, sondern saftig, und Blumen sprießen reichlich, am Wegesrand, auf den Wiesen, wahre Augenweiden.
Mittendrin doch die ersten Wanderer, gut gelaunt wie ich, mit einem sehr aufmerksamen Hund an der Seite, freundliche Worte werden gewechselt, und an der Frage, ob mir’s hier denn besser gefällt als in Neuwied, knabbere ich etwas herum, bevor ich eine Politikerantwort gebe.
Vor Nettehöfe, einem Flecken, durch den der „Traumpfad Bergheidenweg“ führt, zweigt der Weg nach links ab, bergauf geht’s von nun, bis sich auf der Höhe der Wald von dannen und den richtig weiten Wiesen Platz macht. Die Luft wird unruhiger, die freien Flächen schaffen Raum für den Wind, der sich frei entfalten will. Wenn jetzt noch einer trübe Gedanken hat, dann werden die ihm spätestens hier rausgeblasen. Am Büschberg wartet die erste Bank (vormals waren es gar zwei), hübsch drapiert davor dicke Haufen.
Die Heide wurde also wieder bearbeitet, das Krautzeugs angehäufelt und so klug positioniert, dass der Wanderer, der sich dem unsinnigen Müßiggang hingibt, nur ja keine ansehnliche Aussicht genießen kann. Danke schön. (An dieser Stelle drücke ich mich viel, sehr kultivierter aus, als dies vor Ort der Fall war. Und ja, ich neige zum handfesten Fluchen.)
Davon abgesehen liebe ich diesen Platz. Und Petra auch, die sich heute nicht dem Müßiggang hingeben kann. Ich wandere also weiter, um nur mäßig müßig zu erscheinen, betrachte mit hochgezogener Augenbraue den Heidegarten auf dem Büschberg, der auch mal bessere Tage gesehen hat, und mache mich an den letzten Ab- und den letzten Aufstieg.
Dann rüber zum Wabelsberg, grüßend an erneut erschreckend gut gelaunten Wanderern vorbei, ein zweites Mal hinauf, quer durch den Heidegarten, der einen viel gepflegteren Eindruck macht also sein vernachlässigter Kompagnon jenseits des Berges. Nochmals sattsehen am Heidekraut. Ein letzter Blick gen Himmel. Die Wolken dräuen längst erschreckend schwarz. Hatte der Wettervorhersager also doch recht: Der Weltuntergang naht.
Ich fahre rasch nach Hause, damit ich den Weltuntergang im Kreise meiner Lieben erleben kann. Und immerhin haben wir einen Luftschutzkeller. Vielleicht brauchen wir ihn heute …
Rosi
Posted at 17:55h, 08 SeptemberHerrlich mit dir zu wandern Georg ;-) (in Gedanken) und deine Fotos zeigen mir, wie schön die Wanderung in der Eifel wieder mal war.
Ist immer ein Erlebnis für mich, daran teilzuhaben. Ich danke dir.
Georg
Posted at 08:30h, 09 SeptemberVielen Dank! In der Woche darauf haben Petra und ich dann noch eine Wanderung auf dem „Traumpfad Bergheidenweg“ angeschlossen, der ganz in der Nähe vom Wacholderweg verläuft – die Landschaft dort ist ja in dieser Zeit anders schön.
Claus
Posted at 03:23h, 20 August…und schon wieder holt mich ein Stück alte Heimat ein, mit dir, Georg und deinen Wandereien und dem Dort, wo ich auch einst lebte und die Heidelandschaft liebte!
Schöne Grüße von da, wo die Heide Baumheide heißt und ein Stück höher in den Himmel wächst…
Claus
Georg
Posted at 08:56h, 20 AugustFür uns Rheinländer sind die 600 Meter Eifelhöhe auch schon „höher in den Himmel“. ;-) Ich werde mir bemühen, Dir in der nächsten Zeit noch mehr „alte Heimat“ zurückzubringen, wenigstens in Wort und Bild.