"There's more to the picture than meets the eye" - oder: "Zum Naturdenkmal Stangenstein - S3" in Straßenhaus

„There’s more to the picture than meets the eye“ – oder: „Zum Naturdenkmal Stangenstein – S3“ in Straßenhaus

"There's more to the picture than meets the eye" - oder: "Zum Naturdenkmal Stangenstein - S3" in StraßenhausEs gibt viele Gründe, das „Neuwieder Becken“ nicht zu mögen. Freiwillig hierhin zöge ich nicht, aber wenn ich schon hier geboren bin, dann bleibe ich auch und mache das Beste daraus. Aber einer der Gründe, die das Haften an der Heimat versüßen, ist die wunderbare Lage für Wanderer. Von Neuwied aus bin ich mit dem Rad innerhalb einer Stunde in vier Mittelgebirgen: Westerwald, Eifel, Hunsrück und Taunus. Und dazu kommen noch das Rhein- und das Moseltal und die vielen kleineren Fluss- und Bachtäler, die nicht weniger, sondern oft genug noch romantischer sind. Wer hier lebt und nicht wandert, ist es selbst schuld und verdient vier Monate Keller bei fetten Fritten, Hamburger und Cola.

Und weil alles so nah sein kann, reduziert sich öfter die Anfahrstrecke. Am Samstag guckten wir uns von der Website Rengsdorfer LAND eine der zahlreichen Rundwanderwege im genannten Land aus. Bis Straßenhaus, dem Ausgangsort, sind’s nur knapp 15 Kilometer, die Strecke selbst ist wenig länger als 10 Kilometer und mit 3 1/2 Stunden angegeben. Genau das Richtige, damit wir den Tag nicht ausschließlich mit Wandern verbringen und trotzdem ausgiebig Waldluft schnuppern.

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Gefährlich, gefährlich! Eine solche Landschaft zu Beginn einer Wanderung – und ich möchte mich gleich hinlegen und keinen Schritt weitergehen

Samstags ist der Marktplatz in Straßenhaus in aller Regel frei (wenige Autos, keine Gebühren). Und weil er nah am Ortsrand liegt (wobei Straßenhaus ein kleiner Ort ist, bei dem so ziemlich alle Häuser „nah am Ortsrand“ liegen …), neigen sich gleich nach unseren ersten Schritten die Bäume über unseren Köpfen. Wir sind also im Wald, kaum dass wir ausgestiegen sind. Und doch verlassen wir ihn bald wieder, denn der Weg schwenkt nach rechts ab und neigt sich leicht hinunter in ein Geflecht aus Feldern und Wiesen. Nach einer guten Strecke, die sich in der Morgenfrische fast von selbst geht, taucht der Talweg in ein Strudel von Bäumen ein, und wir tauchen mit ihm ab. Der Weg zieht sich nun schneller abwärts, links und rechts fliegen die typischen Gewächse an uns vorbei, und obwohl wir wirklich gemächlich gehen, erreichen wir kurze Zeit später eine Senke.

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KurzInfo! Der „Rundwanderweg S3“ ist einer von drei Wanderwegen, die am Marktplatz in Straßenhaus bei Rengsdorf starten. S3 ist 10,2 Kilometer lang, weist gemächliche 232 Höhenmeter auf und soll 3 1/2 Stunden lang die Wanderschuhe auf Trab halten. Er wird als mittelschwer bezeichnet, doch ist der einzige längere Anstieg nach Straßenhaus moderat. In Straßenhaus bestehen Einkehrmöglichkeiten, unterwegs jedoch nicht. Wie zu allen Wanderwegen im Rengsdorfer LAND bietet die Verbandsgemeinde auch hierzu eine PDF mit Karte und Informationen an sowie die GPS-Daten.

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Dies ist der direkte Weg zum legendären Stangenstein

Hier begegnet uns der Fockenbach zum ersten Mal, denn gemeinsam mit anderen Wanderwegen quert er unsere Strecke. Nach der kleine Brücke steigt unser Weg nun an, nicht sehr intensiv, aber stetig, bis wir die Schutzhütte „Heiligenstock“ erreichen, die wir aber einfach so links liegen lassen. Der Mischwald steht so locker, dass meist viele Blumen und Sträucher in seinem Schatten ihr Dasein fristen können, und trotzdem ist es so still, als ob wir in den tiefsten Wald eingedrungen wären. Der Weg wird also nicht bedrängt von einer Autobahn oder nahen Ortschaften, von denen Verkehrslärm oder Industriegeräusche eindringen können. Das wird sich auch bis zu unserer Rückkehr nach Straßenhaus nur wenig ändern.

Das rächt sich womöglich – diese Stille, diese Ruhe, diese … Schweigsamkeit in Zweisamkeit. Vermutlich sind wir mit unseren Gedanken sehr weit weg, denn wir verfehlen das „Naturdenkmal Stangenstein“ um viele Meter. Vermutlich sogar Kilometer. Er soll (vermutlich, bewiesen habe ich es noch nicht) circa „30 Meter rechts vom Weg“ liegen. Aha.

Als sich unser Weg längst schon dem Fockenbachtal entgegenneigt, geht uns ein Licht auf. Wir haben was verpasst! Die Karte also rausgeholt, den zurückgelegten Weg rekonstruiert. Und die Augen verdreht. Die Schuldzuweisungen sind schnell abgehandelt („Wir waren das nicht!“), dann geht es zurück. Einige Meter. Etliche Meter. Jetzt ist es aber genug-Meter. Wir lassen den Stangenstein Stangenstein sein, der läuft uns (sag ich mal tollkühn) auch nicht weg, und so haben wir einen triftigen Grund, diesen Weg nochmals zu wandern.

Es gibt einige Gründe, weshalb sich Wanderer verlaufen:

1. Es war kein Hinweisschild angebracht

2. Es war ein Hinweisschild angebracht, aber so verdeckt, dass es der Wanderer nicht sehen kann

3. Es war ein Hinweisschild angebracht, aber wenn der Wanderer blind durch die Gegend läuft, dann hilft wohl nur eine Hinweistrompete

Die Möglichkeiten 1 und 2 sind gut für den Wanderer, denn er kann die Schuld meilenweit von sich weisen. Sie scheiden hier aber vermutlich aus. Möglichkeit 3 dagegen ist die wahrscheinlichste Möglichkeit, aber ich ignoriere sie selbstverständlich, damit mein Selbstbewusstsein nicht leidet.

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Die „Sache mit dem Stangenstein“ hat sich bereits bis ins Fockenbachtal herumgesprochen. Dieser Esel weiß, was er von Wanderern wie uns zu halten hat

Ohne Stangenstein erreichten wir das Fockenbachtal. Ich mag Bäche und kleine Flüsse, und da ist es schön, dass in unserer hügeligen Gegend meist noch ein Tälchen dazugebaut wurde – die mag ich nämlich auch. Also mäandern wir immer am Bach entlang mit unheimlich guten Gefühlen talaufwärts, lassen den Fockenbach neben uns gluckern und schäumen und ertränken unseren Frust über das fehlenden Hinweisschild in etlichen Bechern Tee (zur Brotzeit). Unterwegs überholt uns ein nettes Pärchen auf E-Bikes, das wir später an einer winzigkleinen Erhebung wieder vor uns sehen. Sie schieben ihre motorisierten Geräte. Anscheinend hat sich das Prinzip des E-Bikes noch nicht überall herumgesprochen, und so wirft man den Motor an, wenn es bergab geht, und schiebt, wenn der Berg ruft.

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Der Fockenbach

Oder man geht doch lieber zu Fuß. Mit diesen erreichen wir die Hümmericher Mühle. „Hm“, sage ich da. Ein seltsames Völkchen scheint in dieser Gegend zu leben, denn uns winken von allen Seiten Verbotsschilder zu, die wir in dieser Vielfalt und Häufigkeit nicht oft sehen. „Das ist kein Spaß“, steht auf einem – als ob uns der Kleingrundbesitzer dies noch extra hätte sagen müssen. Wir haben verstanden und machen uns schnellstens aus dem Staub – um nur ja nicht unsere bösen Füße auf fremden Grund zu setzen -, eskotiert von höflich blaffenden Hunden.

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Für die Backfreunde unter den Wanderern: Auch der „Butterpfad“ führt am Alexanderstollen vorbei

Doch wer weiß, welche schlimmen Erfahrungen diese Menschen gemacht haben. Aber weder von den harschen Schildern, noch von der Asphaltstraße, die nun den bislang fußfreundlichen Wanderweg ablöst, lassen wir uns die Laune verderben. Unsere Aufmerksamkeit wird auch schnell auf anderes gerichtet: Der Alexanderstollen lockt uns an. Leider stoppt uns eine Eisentür am Einstieg in den Stollen. Das ist auch gut so, denn ich wäre frech weitergestiefelt, während meine Ehefrau von draußen „Komm sofort zurück!“ gerufen hätte.

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Sie: „Schau mal, wir sind vorbei!“ – Er: „Nein, der Stangenstein kommt gleich.“ – Sie: „Ich seh nur unser Auto.“ – Er: „Ach!“

Das letzte Stück führt also die Straße entlang, wir passieren Niederhonnefeld, schauen uns das trotz des schönen Wetters sehr leere Naturschwimmbad an und packen auch die letzten Meter zurück nach Straßenhaus. Selbst jetzt sehen wir vom Dorf nicht viel, wir werden außenrum durch das kleine Wäldchen geführt, das wir vom Beginn der kurzen Tour bereits kennen.

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Ein letzter Blick zurück auf unsere Wanderung, während hinter meinem Rücken das Leben in Straßenhaus tobt

Premiumwanderweg und Prädikatswanderweg, Königsweg und Kaiserpfad, Traumpfade und Traumschleifen – das ist alles wunderschön und toll für uns Wanderer, weil wir geführt und geleitet und mit Bänken und Tischen umschmeichelt werden. Davon profitieren wir, und ich tue das gerne. Aber manchmal, tja, manchmal genügt auch der „normale“ Wanderweg vor der Haustür, der seine Maken hat, also nicht klassifiziert ist und glattgebügelt. Vielleicht trägt er noch ein wenig vom vergilbten Flair der alten Wanderwege auf seinem Buckel, aber er müht sich redlich, den gestiegenen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Beschilderung ist nicht weniger genau als bei den prämierten Wegen, die „Ausstattung“ hat vermutlich ihre Macken, und für die Jagd nach „Punkten“ mangelt es an Kriterien wie wenige Asphaltwege.

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Eine Traumbank aus einer frühen BETA-Phase; erst kurz nach diesem Prototypen wurde die Heckenschere erfunden

Und trotzdem! Wanderwege wie dieser sind einfach gut. Wir wählten ihn aus, weil er schnell zu erreichen ist. Und ich habe nicht weniger das Gefühl, gut erholt zu sein und mich entspannt zu haben. Das Walderlebnis hängt nicht von Liegebänken ab (aber ich liebe sie!), das Walderlebnis stellt sich wie von selbst ein, wenn ich dazu bereit bin. Und um den guten alten Neil Young und sein „Hey Hey, My My (Into The Black)“ ins Spiel zu bringen: „There’s more to the picture than meets the eye“ …

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[Die Galerie zeigt weitere Impressionen vom „Rundwanderweg Straßenhaus S3“. Die Galerie lässt sich mit den beiden Buttons unten rechts “bedienen”. SL – der linke Button – löst eine Slideshow aus, mit FS – der rechte Button – wechselt man in den Vollbildmodus.]

2 Comments
  • xcloud
    Posted at 22:08h, 26 September Antworten

    Hallo, Du Schlenderer,

    ich finde Deine „Schlendererbeschreibungen“ höchst inspirierent. Sehr schön, einfallsreich und humorvoll.
    Ich bin jetzt schon vier Deiner beschriebenen Wege gegangen. Auf zweien habe ich mich verlaufen, weil ich nicht so gut ausgerüstet bin wie Du (eine Wanderkarte und eine schöne Frau an Deiner Seite, die Dich warnt, wenn du in eine falsche Richtung gehst oder sogar, wenn Du nur die Absicht hast, in diese zu gehen).
    Aber „Verlaufen“ kann auch interessant oder „herausfordernd“ sein, wenn man wieder den „richtigen“ Weg zurück findet. Wie erleichtert ist man dann, wenn man endlich wieder die Zeichen der „Zivilisation“ an den Bäumen findet. Wären doch alle Wege so gut ausgeschildert, wie die „Rundwanderwege“.

    Einer der Wege war „S3“. Den finde ich ganz Klasse, weil man erst über Felder und Wiesen geht und der Wind des „Westerwaldes“ einem das Gehirn freispült. Danach wandelt man hinab in die „Auen“ und Bachtäler.
    Ich habe übrigens die „Teufelstreppe“ bei meiner zweiten Wanderung durch „Zufall“ gefunden (weil ich Pinkeln musste und nach Beendigung dieser Tätigkeit, hochgeschaut habe und im Hintergrund eine Steinmauer erschaut habe. Es war die „Teufelstreppe“. Es führt nur kleiner, kaum wahrnehmbarer Pfad dorthin).

    Ich werde noch einige der von Dir beschriebenen Wanderungen „nachgehen“. Hier in der Umgebung. Ich wohne auch in diesem Tal (keine 300 Meter von Dir entfernt), in dem „Neuwieder Becken“, über das der Wind hinwegweht.
    Irland ist auch schön, aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?
    Das soll aber keine Kritik sein. Ist ja schon ganz schön, das Du kein „Ballermann“ bist.
    Vielleicht lernt man sich ja mal persönlich kennen?
    Ich würde mich freuen.
    Grüße aus der „Dierdorfer Straße“
    Your XCloud

    • Georg
      Posted at 18:57h, 01 Oktober Antworten

      Das freut mich natürlich, dass meine Wanderberichte zum „Nachwandern“ einladen. Wanderkarten sind zwar immer hilfreich, aber richtig: spannend wird es erst ohne Wanderkarte. Welche Hindernisse es gerade in unserer Wandergegend gibt, hat Elke auf ihrem Blog jüngst sehr schön beschrieben: . Und die gar nicht mal so langen Wege wie der „S3“ haben wirklich etwas für sich: nah bei zuhause, abwechslunsreiche Landschaft und, tja, Geheimnisse wie die „Teufelstreppe“, die man entweder findet – oder nicht findet. Beim nächsten Mal werde ich mich auch in die Büsche schlagen, vielleicht lande ich dann auch auf dem richtigen Weg.

      Und Irland … das ist eine alte Leidenschaft für das Land, die ich (und auch Petra) liebend-gern pflege. Und so viel Meer und Salz auf der Haut bieten halt weder Eifel, noch Westerwald oder Hunsrück.

      Grüße zurück aus der Beringstraße

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