Traumschleife Rheingold - eine UNVERSCHÄMTHEIT!

Traumschleife Rheingold – eine UNVERSCHÄMTHEIT!

Das ist eine UN – VER – SCHÄMT – HEIT! Ja, in Großbuchstaben und fett und mit Gedankenstrichen zwischen jeder einzelnen Silbe. So etwas geht gar nicht! Und schon gar nicht auf einem Wanderweg wie der »Traumschleife Rheingold«. Aber von vorne.

Ich frage mich ja manchmal, ob ich nicht eines Tages die Lust am Wandern bei uns daheim verliere, weil ich schon alles gesehen habe. Dann ausweichen muss in fernere Gefilde. Neuseeland. Kanada. Patagonien. Da liest »man« ja so viel drüber, muss abenteuerlich sein (im Rahmen des Versicherungsschutzes), nicht überlaufen (die Touristen bleiben unter sich) und überhaupt – mal was anderes. Während ich hier ja jeden Traumpfad schon x-mal gerannt bin und die Wäller Touren längst eingetütet habe und … ach, da kommt sicher Unlust auf. Eines Tages. Denn der Rhein ist der Rhein und die Eifel die Eifel. Alltagsgeläuf für unsereins.

Und dann kommt mir sowas unter! Ich trage ja wie jeder vorschriftsmäßig daherschlurfende Wandersmann einen Rucksack auf dem Rücken. Das sieht erstens professionell aus (ich werde sofort als Wanderer erkannt), zweitens lassen sich Fresswaren und Gesundheitstränke (Bier, Schnaps) darin verstauen. Aber der Rucksack trägt seinen Namen zurecht. Um nicht aufzufallen (Einheimischer 1: »Die Wanderer werden auch immer seltsamer« … Einheimischer 2: »Waren die schon immer, jetzt aber zeigen die das sogar öffentlich«), trage ich ihn lt. Bedienungsanleitung hinten. Also auf dem Rücken.

 

Was für ein Fehler auf dieser Traumschleife! Ich krieg mich jetzt noch nicht ein. Echt jetzt. Die Hälfte meiner Fresswaren nämlich verpulverte (um Missverständnissen zuvorzukommen: Nein, ich trage keine speziellen Pülverchen mit mir herum, die wie weiland Popeyes sein Spinat unglaubliche Kräfte verleihen, wenn auch verbunden mit körperlichen Deformationen wie dicken Armen und Beinen wie Ofenrohre) ich als Energieeinsatz fürs Rucksack abschultern. Und dann später wieder aufschultern. Und kaum war ich ein kleines Stück gegangen, hieß es schon wieder: Runter mit dem Sack. Wie oft ich das machen musste? Keine Ahnung, ich habe das Zählen bald aufgegeben, weil … UNVERSCHÄMTHEIT! … schon wieder eine Aussicht über den Weg lief, gepaart mit einer stationären Bank. Für mich, der ich nie »Nein« zu einer Rastbank oder einem Liegesofa, einer Waldcouch oder einem Wiesenbettchen sagen kann, hieß das also: Runter mit dem Rucksack, drauf auf die Liege, Beine ausstrecken, die Augen auf die Reise schicken und so lange warten, bis sie wieder zurückkehrten. Was, das haben reisewillige Augen ja so an sich, seine Zeit dauert. Die Augen nämlich wollen entspannen, relaxen, chillen und gleichzeitig alles sehen, bestaunen, bewundern. Und dann kommen sie ja noch zurück und erzählen mir das alles augenblicklich.

Abhilfe schafft da natürlich der Bauchsack. Den werde ich mir nun anschaffen. Dann hat das leidige Abschultern ein Ende. Nur noch einfach Hinsetzen und vorne aus dem Bauchsack Hasenbrot und Bio-Wasser nehmen. Die Augen können sich derweil schon auf die Reise machen. Eine schöne Idee, finde ich, wäre auch ein Bauchladen, hat etwas Nostalgisches und erleichtert den Zugriff. Leider nicht nur für mich, sondern auch für Mitwanderer und Vorbeiwanderer. Wenn also demnächst ein verträumt guckender Wanderer über die »Traumschleife Rheingold« wandert, lasst gefälligst die Finger von seinem Bauchladen – sonst gibt’s was drauf auf die Finger.

Ich jedenfalls bin noch so begeistert von der Traumschleife, dass ich es kaum in Worte kleiden kann. Die »Traumschleife Rheingold« muss jeder selbst sehen, fühlen, erfahren – nein, erwandern. Säckeweise Aussichtspunkte, hinter jedem Strauch lungert eine Stelle, die sich zum Gucken lohnt. Und die allerschönsten, von denen es händeweise viele gibt, sind bedacht mit Bank und/oder Sofa und manchmal mit einem Tisch oder mehreren. Auf jeden Fall genug, um aus dem Rasten gar nicht mehr rauszukommen. Das Rheintal hat zu jeder Zeit etwas Magisches, ganz besonders für Menschen wie mich, die am Rhein geboren wurden und dort aufgewachsen sind.

Doch während wir im Neuwieder Becken ja die schroffen Talwände auf Distanz halten, gucken ich bei der Traumschleife hin und weg immer wieder hinunter ins Tal, auf den träge stromernden Rhein, dann die Felsklippen und -kanten am jenseitigen Ufer hinauf bis zu den Höhen des Taunus, die sanft gewellt bis zum Horizont fließen. Der mittlere März hat natürlich einen dicken Bonus, wenn’s ums Gucken und Genießen geht. Es ist warm genug, dass schon bald nach dem Start Schicht um Schicht der Zwiebelkleidung vom erhitzten Körper in den Rucksack fliegt. Und gleichzeitig gucken gerade mal die ersten flaumigen Blättchen aus den Bäumen und Sträuchern, sodass das Blattwerk noch nicht den Wandertouren der Augen im Wege wippt und den ungehinderten Blick … äh … verhindert. Jetzt also ist die Zeit zum Schauen und Staunen. Die kommt danach sicher auch wieder. Nur anders. Grüner.

Die schönsten Aussichten sind benamst und heißen Kalkofen, Wingertsberg, Wilpertskopf, Elberheide und Europakuppel, Probsteiberg und Bocksberg, Poweslay, Ginsterstück, Keltenringwall (mit zwei Bänken auf unterschiedlichen Hangniveaus), den Panoramablick an der höchsten Stelle der Rundtour und zum Schluss den Edgar-Reitz-Blick, der seine Bekanntheit durch die Fernsehserie »Heimat« erlangte.

Die Tour ist 10,7 Kilometer lang und schaufelt einem 530 Höhenmeter in den Weg. Er führt über Wiesen und durch Wälder, entlang von Hangkanten auf dann meist schmalem Pfad, zieht sich auch Hänge hinauf und verlangt besonders nach der Europakuppel Trittsicherheit (das Teilstück ist auch mit Seilversicherungen und Treppenstufen versehen). Wie lange dauert die Rundtour? Tja, ähem, soso. Also. Ach, anders aufgezäumt das Pferd. Die Traumschleife ist bestens ausgeschildert. Wer sich trotzdem verläuft, hat Tomaten auf den Augen. Unterwegs übrigens traf ich einen der Wegepaten, wechselte mit ihm einigen Worte, bevor er mir davoneilte. Klar, ich saß ja noch auf einer der Bänke … Jedenfalls wunderte ich mich auf dem Keltenringdingensberg, warum der Herr plötzlich hinter mir auftaucht. Das Wundern erwischte mich, als ich schon selbst zaghaft im Begriff war, der Meinung zu sein, da ist was falsch gelaufen. Ich verzwurbele das ein wenig, damit es keiner versteht und nicht herausliest, dass auch ich einer der Tomatenmenschen bin.

Beim Abstieg vom Keltenringdingensberg (ich war ja falsch, nahm ich an) also kam er mir entgegen, ich ging wieder hinauf mit ihm (wo er hergeht, muss ja richtig sein, und richtig, er ging richtig), er klärte mich darüber auf, ein schönes Stück des Wegs quasi rechts liegen gelassen zu haben, worauf ich meinte, dass ich halt nochmals wiederkommen müsse. Was mir jetzt gar nicht unangenehm war, das Wiederkommen. Eher, dass der Wegepate mich für einen echten Spacken halten musste. Oben aber auf der Bank (auch da stand ja eine Bank) packte mich der Ehrgeiz (Ich kleide das dann in Sätze wie: »Ach, Scheiß der Hund drauf«, bin aber in aller Regel dabei allein, sodass ich mich nicht schäme.) Ich also wieder runter, diesmal ganz, zurück zum Punkt, an dem ich falsch abbog, und noch zwei grandiose Rheinsichten eingesammelt. Um die wäre es wirklich schade gewesen.

Gut fünf Stunden habe ich gebraucht, abzüglich der Ehrenrunde, die ich mir gönnte, abzüglich unzähliger Pausen auf den Bänken (sitzend), Sofas (liegend) und an den Aussichtspunkten (wahlweise sitzend oder stehend oder liegend). Ruhig vier Stunden veranschlagen, plus ungeplantes lässiges Abhängen auf einem der Liegesofas.

Ein Flyer zur Traumschleife gibt einen guten Überblick und zeigt auch den Startpunkt bei Rheinbay. Ansonsten steht alles Wissenswerte auf der Seite zum Saar-Hunsrück-Steig. Mit den folgenden Fotos lässt sich meine Wanderung sicher gut nachvollziehen.

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