Vier Füße für ein Halleluja - oder: durchs wilde Nonnenbachtal

Vier Füße für ein Halleluja – oder: durchs wilde Nonnenbachtal

Doch eigentlich müsste der Titel lauten: „Durchs wilde Nonnenbachtal hinauf zum Malberg und hinüber nach Rockenfeld und wieder zurück ins Nonnenbachtal.“

Gar nicht so einfach in diesem Jahr. Kaum war ich am Vortag bei strahlendem Sonnenschein unterwegs, ist der Sommer auch schon vorbei. Mein Freund KD und ich haben uns für den folgenden Tag, den Donnerstag, verabredet. Den außerkalendarischen Herbstanfang. Es hat schon was Wahres: Die Zeit läuft einem davon. Besonders, wenn man älter wird (und wer wird nicht älter, je länger er lebt?) Aber wir jammern nicht, denn wir sind nur Weicheier, wenn jemand in unserer Nähe ist, der uns bemitleiden kann.

Die Wanderung durchs Nonnenbachtal aber wollen wir alleine angehen. Wir jammern also nicht, wir wandern.

Vier Füße für ein Halleluja - oder: durchs wilde Nonnenbachtal

Wir wissen nicht, ob dieses Kreuz einen Bezug zum Namen „Nonnenbachtal“ hat.

KD hat das Nonnenbachtal bereits erwandert, ich kenne es nur vom Vorbeifahren. Auf der Strecke von Neuwied durch das Wiedtal findet sich der Eingang ins Tal knapp vor dem Forsthaus Nonnenbach (circa 1 km von Datzeroth entfernt, die lange Gerade auf der L255 kurz vor der Rechtskurve, dort links in den Forstweg hinein; gleich hinter der Kurve geht es nach Bürder rechts ab.) Wir legen unser Fahrzeug an einem ausreichend großen Wendeplatz beiseite.

Dann steigen wir aus. Und schlottern. Dem gewöhnlichen Mitteleuropäer steht, so denke ich, jährlich ein bestimmtes „Kälte-Kontingent“ zur Verfügung. Ich schätze, es sind so um die 120 Tage über einen längeren Zeitraum, die er unter 5 Grad gut wegstecken kann. Dauert die kalte Periode länger, friert er sogar in geheizten Räumen. Der Körper schaltet nämlich nach den 120 Tagen auf den Wärmemodus um und erwartet dann Temperaturen, die seine Haut wohlig umschmeicheln und den Wechsel von Pullover zu T-Shirt erleichtern.

[tip]KurzInfo! Die Augustinerinnen des Klosters St. Thomas in Andernach unterhielten am Nonnenbach (früher: Hunninbac) im Grenzelberg (früher: Cruntzelenberc) um das Jahr 1152 einen Klosterhof mit Kapelle. Darüber gibt es aber strittige Ansichten, wie der Artikel „Die Höfe Auch, Grentzelberg und der Klosterbesitz von St. Thomas“ belegt. Im Buch „Niederbreitbach – Eine Bilderreise in die Vergangenheit“ soll von einer „Reise mit einer Sage vom Kloster ‚Zum hl. Laurentius‘ im Nonnenbachtal bei Niederbreitbach“ die Rede sein“, wozu mir jedoch keine weiteren Informationen vorliegen.

Quelle unter anderen: Wikipedia

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KD und ich gucken uns also noch kurz an, bevor wir die Rucksäcke schultern. Schlüpfen rasch aus den T-Shirts. Holen die Thermounterwäsche heraus (kurzärmelig und langärmelig), ziehen uns über die beiden ersten Zwiebelhäute einen dünnen Pullover. Sodann einen dickeren Pullover. Danach einen dicken Pullover. Ergänzen den dicken Wulst um einen Fleecepullover mit Innenfutter und flauschiger Außenbeschichtung. Ziehen die gepolsterten Winterjacken drüber und haben jetzt endlich das Gefühl, mit etwas Dusel nur ein wenig frieren zu müssen.

[tip]KurzInfo! Die Wanderstrecke ist 16 Kilometer lang und weist 434 Höhenmeter auf. Sie führt den Nonnenbach entlang, der wenig später in die Wied mündet, hinauf zum Malberg. Von dort geht es über den Westerwald-Steig an der Kaisereiche vorbei zu den Relikten einer vergangenen Zeit, den Limeswachtürmen. Später erreichen wir die Wüstung Rockenfeld, um dann hinabzusteigen ins Nonnenbachtal.

Für die Wanderung sollten 4 – 5 Stunden veranschlagt werden. Die Wanderung kann entweder im Nonnenbachtal – Zuwegung dem Bericht entnehmen – oder am Malberg begonnen werden. Am Malberg steht nicht nur ein ausreichend großer Parkplatz zur Verfügung, sondern auch die Malberg-Hütte, die zur Rast einlädt. (Von Hausen an der Wied über die K5 bis zur großen Kreuzung auf der Höhe, dann weiter in Richtung Hähnen/Langscheid/Solscheid auf der K3).

Gute Wanderschuhe reichen aus, Proviant sollte jedoch mitgenommen werden, weil die schönen Aussichten zum Innehalten und Rasten animieren. Die Wanderung ist ganzjährig durchführbar, im Winter natürlich mit entsprechender Ausrüstung. Auf den Höhen kann es recht kühl und windig sein, aber im Sommer auch sehr sonnig, sodass Sonnenschutz wichtig ist.

Eine Wegekarte muss unbedingt mitgenommen werden. Uns diente die Wanderkarte „Naturpark Rhein-Westerwald Blatt 1“ zur Orientierung. Im Verbund mit der Wegekarte weiter unten im Beitrag lässt sich die von uns zurückgelegte Wanderstrecke nachvollziehen. Über den Klickpunkt “drucken” stehen Optionen zur Auswahl, wie detailliert die PDF sein soll – am besten einfach ausprobieren, herunterladen und dann entscheiden, welche Version man bevorzugt. GPS-Tracks können ebenfalls abgerufen werden. Und die Karte kann mit Hilfe des Reiters über dem Kartenbild in unterschiedlichen Ansichten (beispielsweise bei “Google Earth”) betrachtet werden.[/tip]

Zum Glück sind wir alleine, denn sonst hätten die durch das gesamte Nonnenbachtal unser Wehklagen gehört. Wir bibbern also los, passenderweise am Nonnenbach entlang. KD erzählt, wie er bei seiner letzten Wanderung hier eine ganze Anzahl Rehe entdeckt hat; eine wildtierreiche Gegend ist dies, denn anders als viele gut besuchte und betrampelte Pfade ist der von uns eingeschlagene Weg quasi verwaist. Heute aber, so mutmaße ich, hat sich selbst das Wild um den heimischen Ofen geschart und reibt sich die Hufe und wartet aufs Frühjahr.

Kann aber auch sein, dass wir – wieder einmal – durchs Tal poltern wie ein Fanfarenzug. Leise hört sich anders an, und wenn wir unterwegs sind, schallt es meilenweit.

Andererseits reden wir uns auf diese Weise auf Betriebstemperatur. Hinzu kommt natürlich der leicht ansteigende Weg, der uns am schlanken Nonnenbach hinauf über ein querendes Brückchen führt. Der Bach führt reichlich Wasser, was die Jahreszeit auch wieder zu etwas Besonderem macht, weil anders als im Sommer die Flüsschen nicht ausgetrocknet sind.

Das Tal ist nicht allzu eng geschnitten, weshalb auch in den milderen Monaten genügend Licht hineinfallen kann. Jetzt aber stechen die Äste der Laubbäume noch wie dürre Finger gen Himmel. Das einzige Grün, das uns begegnet, beschränkt sich auf Moos und die Wiesen mit ihrem noch kraftlosen und saftlosen Gras.

Macht uns das etwas aus? Nein. Gemeinsames Wandern vermittelt eine andere Atmosphäre als das Wandern alleine, dem ich ja am Tag zuvor gewissermaßen nachgegangen bin. Wenn die Landschaft nicht genug beeindruckt, dann unterhält man sich. Wenn man nichts mehr zu sagen weiß, schaut man sich um und staunt (worüber, sieht man dann schon). Manchmal aber, und so ist es auch heute, ergänzen sich Gespräch und Gefilde aufs Trefflichste. KD weiß nämlich jetzt eine Geschichte zu erzählen über eine Nonne, die Patin für den Namen des Tales stand (verwunderlich ist das jetzt aber nicht).

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Dieser Wolf sieht eher wie ein liebes Hundchen aus. Vermutlich wurde auch er von einem alten Jägersmann aus Bad Honnef erschossen.

Das aber ist erst der Anfang, denn irgendwie hat unser gesamte namenlose Weg selbst viele Geschichten in der Hinterhand, an denen wir uns entlanghangeln. Genau wie bald am Berg, als wir das Nonnenbachtal verlassen, um nach rechts am Bremscheider Bach vorbei und durch den Teufelsgraben in Richtung Malberg zu wandern. Über uns, doch nicht sichtbar, liegt das Örtchen Solscheid, später passieren wir Langscheid, ohne den Flecken vom Tal aus zu sehen. Dafür erreichen wir die „Wolfswiese“, sehen aber weder den Wolf noch überhaupt eine Wiese. Anlass genug, um uns gegenseitig die eine oder andere (recht spekulative) Geschichte über Wölfe und Wiesen zu erzählen.

Nun sind Wälder in der Übergangszeit vom Winter ins Frühjahr nicht richtig aufregend. Die Laubbäume sind kahl, die Nadelbäume, nun ja, wie immer. Und der Forstweg ist breit und nicht pfadig. Und dennoch: Die Stille, der wir ab und an Gelegenheit zum Entfalten geben, legt sich übers Tal wie ein dichter Mantel. Uns fällt das selbst bei unserer angeregten Unterhaltung auf. Wir stören uns nicht daran, aber es ist wohltuend, und ich kann mir vorstellen, wie erholsam Wege wie diese sind, wenn man die vollkommene Ruhe sucht.

[tip]Der Malberg ist ein erloschener Vulkan, der mit seinen 373 Metern die umliegenden Höhen überragt. Im Schlund des Vulkans wurde bis 1932 Basalt abgebaut. Inmitten des Kraters liegt heute ein kleiner See. Der Basaltlehrpfad führt von einem kleinen Parkplatz an der K3 hinauf zum Gipfel; der Weg wird allem Anschein nach aber nicht mehr betreut.

Die Hänge um den Malberg sind auch ein beliebtes Rodel- und Skigebiet (was der Verfasser aus seiner eigenen Kindheit und der Zeit der eigenen Kinder nur bestätigen kann). Der Schlepplift wurde 2008 großteils abgebaut, die Skikanonen Jahre zuvor bereits verkauft.

Mittlerweile ist der Malberg auch bekannt für seinen „Malberglauf“. Am 13. Malberglauf im vergangenen Jahr nahmen sogar 384 Läufer teil.

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Unser erstes Ziel ist der Malberg. 373 Meter hoch. Vom Wiedtal bis dort hinauf legen wir also einige Höhenmeter zurück. Kein Problem, denn die Anstiege sind verhalten und ziehen sich über die gesamte Strecke. Auf der Höhe, kurz vor Hähnen, lichtet sich der Wald und öffnet sich zu einem weiten Areal, das gleichzeitig den Blick freigibt über die Westerwaldhöhen. Das Wetter ist zwar nicht günstig, um uneingeschränkt bis zum Horizont zu schauen, aber nach dem Tal genießen wir die Rundumschau.

Es riecht nach Schnee.

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Die Bänke, das Geländer. Gut aufpassen, denn dahinter geht es steil bergab.

Dann verengt sich der Fernblick. Wir haben uns auf eine Bank gesetzt. Packen aus. Schauen hinab. Etliche Meter. Die Basaltwände fallen steil runter und enden unten am Malbergsee. Ein schönes Plätzchen, wenn es heute nur nicht so verdammt zugig wäre. Westerwaldhöhen halt.

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Wer noch an meinen Worten zweifelte, sieht hier den Beweis: Heute ist es nicht nur kalt, es ist eiskalt.

Ein, tja nun, „nettes“ Schmankerl ist übrigens das, was wir auf einem Informationsblatt an der Wandertafel entdecken. Eine Bürgerinitiative aus Bad Hönningen macht sich stark gegen Windräder, die nach ihren Infos am Malberg aufgepflanzt werden sollen. Garniert wurde das Papier mit einer Ansicht der dann neu gestalteten Umgebung des Malbergs.

Malberg 2.0. Wir sehen ihn (noch) ohne Windräder. Die Fotomontage zeigt die Landschaft mit Windrädern. Ein surrealer Anblick. Wie der auf mich wirken kann, habe ich in meinem Wanderbericht zum „Geopfad Tuffsteinweg“ in der Eifel beschrieben. Aber muss ich das überall haben? Nein. (Ich bin ja als Neuwieder schon froh, nicht in einer Einflugschneise zu einem Flughafen zu leben. Dafür haben wir das Rheintal, wenn auch weniger eng als andernorts, aber mit täglich bretternden Güterzügen. Zur Erholung geht’s dann hoch in den manchenorts noch stillen Westerwald, wo mich dann eines Tages … Ach, ich lasse es besser, sonst werde ich noch richtig bräsig.)

Die höchste Erhebung weit und breit also, garniert mit turmhohen Windrädern. Bei unserer Wanderung werden wir den Malberg aus unterschiedlichen Blickwinkeln sehen, und jedes Mal drängt sich dann bei mir das Bild mit den Windrädern auf. Unter dem Diktat der wirtschaftlichen Notwendigkeit kann man wirklich alles wollen, doch man sollte die Vernunft nicht an der Tür zum Beratungssaal abgeben. Das geschieht ja meist parteiübergreifend …

Der Experte für Outdoor und Touren_______________________________________________________________

Wir umrunden den Malbergsee auf der Höhe, passieren dabei die neue Malberg-Hütte (für eine Einkehr sind wir leider noch zu früh) und bleiben staunend vor den Informationstafeln stehen, die uns vom Basaltabbau berichten. Das ist nett zu lesen, doch sind die Schildchen beständiger als das, auf was sie verweisen. Einmal mehr werden wir mit der Vergänglichkeit konfrontiert. Der Basaltlehrpfad verdient an den von uns betrachteten Stellen eher den Namen „Leerpfad“; anschaulich ist das nicht.

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Ein Schildchen stand so einsam und allein herum. Und statt dass „Basaltsäule neben Basaltsäule“ steht, raschelt es nur im feuchten Laub.

Anders als vor Jahren, als ich mit Peter und Kurt bis an das Seeufer hinabgestiegen (und auch hier erzählt KD eine eigene Geschichte), ersparen wir uns den Abstieg, der, ach ja, sowieso und überhaupt nicht erlaubt oder sogar verboten ist und mit Bußgeldern in unbekannter, aber unglaublicher Höhe belegt sein wird.

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Ein letztes Osterei lag gottverlassen im Moos. Wir ließen es liegen, weil Schokolade ja ungesund für Naturburschen ist.

KD und ich wenden uns also mit einem Schulterzucken und dem Gefühl, auf dem rechten Pfad geblieben zu sein, ab und dem weiteren Weg zu, zu dem sich nun unter anderem der Westerwald-Steig und örtliche Wanderwege gesellen. Genau hier entlang soll der Windpark wohl entstehen. Ob die eifrigen Rodungsarbeiten links und rechts des Weges schon darauf hinarbeiten, weiß ich nicht, aber manchmal rotieren die Gedanken ja so wie die Windrädchen …

Das folgende Wegestück ist asphaltiert, die Luft geschwängert vom Geräusch der Kettensäge und zwei oder drei Fahrzeugen, die in durchaus eiligem Tempo an uns vorbeibrettern (KD konnte mich noch gerade so zurückhalten, sonst wäre ich dem Letzten durch die Staubwolke hinterhergehetzt – oder hielt ich KD zurück? Egal, die Flüche machten jedenfalls der Kettensäge Konkurrenz.)

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Die Eiche des unbenannten Kaisers. Wilhelm? Nero? Womöglich der aus China? Wir rätseln herum und wissen doch nichts.

An der „Kaisereiche“ verweilen wir gar nicht lange. Vielmehr rätseln wir über den Namen der gar nicht so eindrucksvollen Eiche. Ob es Wilhelm war, der hier etwas an der Eiche machte, um sich dann später im Forsthaus Wilhelmsruh aufs Ohr zu hauen? Jedenfalls klärt uns keine Infotafel darüber auf. [Zur „Kaisereiche“ gibt es ein Update am Ende des Wanderberichts!]

Der Wanderweg arbeitet sich weiter vorwärts durch den Rheinbrohler Wald. Die Luft ist kalt, doch frisch, und noch geht uns der Gesprächsstoff nicht aus. Da kommt uns das Gebildeichshäuschen gerade recht, damit wir wenigstens für kurze Zeit verstummen. 1819, nach dem Ende der napoleonischen Befreiungskriege, wurde es ein weiteres Mal erbaut. Das Gebälk stammt aus dem Holz einer einzigen Eiche, woher sich der Name ableitet.

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Das Gebildeichshäuschen mit verführerischen Holzbänken.

Hin und wieder geben nun die Bäume den Blick frei auf die kleinen Täler, die sich tief in die Berge gefräst haben. Und hin und wieder können wir sogar weit darüber hinaus schauen, obwohl wir stetig abwärtsgehen, um bald an einem weiteren markanten Platz zu verweilen.

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Das wünscht sich doch jeder. Bitte bei mir dann: „Dem Blogger Müller“

„Dem Turner Kappel“ wurde 1924 ein eigener Gedenkstein gewidmet, und später werde ich im Internet erfahren, was es mit diesem uns unbekannten Turner auf sich hat.

[tip]KurzInfo: Einer Festschrift zum 125jährigen Bestehens des Turnvereins Rheinbrohl 1882 e. V. entnehme ich: „[…] Nun kam jeden Dienstag und Freitag Daniel Kappel, ein Schüler von ‚Turnvater Jahn‘, von Heddesdorf aus zu Fuß nach Rheinbrohl, um als Vorturner den einheimischen Männern neue Übungen beizubringen. Nachdem Kappel 1924 verstorben war, zog der Turnverein mit klingendem Spiel zum Jagdhaus Wilhelmsruh, um dort zu seinem Gedächtnis ein Denkmal einzuweihen und eine Eiche zu pflanzen.“[/tip]

Das Forsthaus Wilhelmsruh lassen wir rechts liegen, ohne dort um Aufklärung zu bitten, was es denn mit des Kaisers Eiche und seiner Ruh‘ so auf sich hat. Uns ist auch gar nicht danach, das genau zu wissen, denn manchmal sind die Mutmaßungen spannender als die Wirklichkeit.

Von da an geht es bergauf. Wir begrüßen den Limeswanderweg, der uns nun ein Stück begleitet. Dazu passt, dass jetzt in schöner Regelmäßigkeit ein Limesturm (oder das, was von ihm noch übrig ist, und das ist meist sehr wenig) parat steht. Wo die Gelegenheit günstig ist (sprich: wo wir Lust dazu haben), folgen wir kleinen Hinweisschildern zu den ausgewiesenen Stellen, an denen vor fast 2000 Jahren Römer und Germanen den ersten interkulturellen Austausch betrieben. (Wer einen weiteren Abstecher machen möchte, folge am Forsthaus Wilhelmsruh dem Limeswanderweg in die andere Richtung bis zum Limeswachturm am Beulenberg, der dort nachgebaut wurde.)

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Die Römer bevorzugten bereits die lockere Ständerbauweise. Kein Wunder, dass die Limeswachtürme die Zeiten nicht überdauert haben.

Der Asphalt lässt uns zwar nicht los, aber richtig stören wir uns nicht daran. Wahrscheinlich ist es so, dass wir zu zweit die Landschaft anders erleben und sehen, als wenn wir alleine durch die Walachei wandern. Dafür trauen sich die letzten Schneeflöckchen vom Himmel herab (verdammt nochmal, wirklich die Letzten!) Der Wind schickt uns seine eiskalten Grüße, wir sind zwar dick angezogen (ja, wir tragen die richtige Kleidung für kaltes Wetter!), aber uns kriecht die Kälte in die letzten Glieder. Da kommt uns Rockenfeld gerade recht.

[tip]KurzInfo! Rockenfeld wurde 1280 zum ersten Mal als „Rukenveld“ urkundlich erwähnt. Bis 1693 gehörte es zu Gönnersdorf, bevor der kleine Ort eigenständig wurde. 1846 wohnten dort 11 Familien. Im 19. Jahrhundert soll im Nonnenbachtal Erz abgebaut worden sein. Ab dem 19. Jahrhundert verfügte Rockenfeld sogar über ein eigenes Schulgebäude. Ob auch die US Millardäre, die Rockefellers, welche auch aus Rockenfeld abstammten, an dieser kleinen Schule unterrichtet wurden, konnte bisher nicht eindeutig recherchiert werden. Für Interessierte empfehle ich, den weiterführenden Links auf der Seite „Rockenfeld – Historie“ zu folgen und sich auch das Bild- und Videomaterial über den untergegangenen Ort anzuschauen.

1969 wurden Häuser und Höfe abgebrannt. Der letzte Bewohner dieses Ortes, der Gastwirt Albert Grose, verstarb in den 90ger Jahren. Er hatte in Rockenfeld das Wohnrecht auf Lebenszeit. Einige Jahre später verstarb auch seine Ehefrau in einem Seniorenheim.

Quellen unter anderen: Website www.neuwied-feldkirchen.net[/tip]

Zur Wüstung hat KD wieder einiges zu erzählen – über die letzten Bewohner von Rockenfeld und wann die letzten Häuser und Behausungen plattgemacht wurden.

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Zuständig für dieses Husarenstück am Gedenkfelsen in Rockenfeld soll das Gartenbauamt der Stadt Neuwied sein. Weshalb erstaunt mich das nicht? Das Tor war übrigens abgeschlossen. Ich trage mich nun mit dem Gedanken, keine Steuern mehr an die Stadt Neuwied abzuführen.

Diesmal kann ich kontern, denn unser ältester Sohn hat hier des Öfteren seinem Pfadfinderdasein gefrönt. Eine stabile Hütte kündet davon und der Zeltplatz. KD und ich nutzen Tisch und Bank für eine letzte Rast.

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Dieses Foto habe ich speziell für Patrick und Angelo aufgenommen, damit sie sich überzeugen können: Die Hütte steht noch, nur die Wiese könnte mal gewässert werden.

Es ist an der Zeit, die Snickers auszupacken, den rituellen Spruch aufzusagen („und hau weg das eklige Zeugs!“) und es gemeinsam zu … verschlingen.

So gesättigt – und nach einem Blick auf den noch windradfreien Malberg – machen wir uns zum letzten Wegestück auf. Ich weiß nicht, wie oft nun KD vom „letzten Anstieg“ spricht, und ehrlich gesagt, halten sich die besagten Anstiege auch sehr in Grenzen, aber nach der vierten (oder fünften oder …) Ankündigung ist mein „Und dir geb ich ein Snickers!“ sowas von ehrlich gemeint …

Durch den Wald schlängelt sich der Weg, gut ausgebaut, aber fast jungfräulich, als ob nie ein Wanderer ihn mit Füßen getreten hätte. Wie überhaupt die Wanderung eine einsame Sache – abgesehen von der Gegend um Hähnen – für uns ist. Wir kurven hin und her, folgen einem Bächlein noch einige Schritte, bis es an dem Brückchen, das wir zu Beginn überquerten, in den Nonnenbach sprudelt.

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Das kleine Schwarze ist unser Zielfahrzeug. Bis dahin heißt es: „Da kommt wirklich kein Anstieg mehr.“

Die letzten Meter (KD: „Da kommt kein Anstieg mehr!“) laufen wir sprachlos. Stille kehrt ein. Wir sind knapp 5 Stunden unterwegs, und es mag sein, dass wir jetzt genug gesagt haben und nichts mehr zu sagen wissen – oder einfach die Wanderung uns stumm werden lässt.

Dann steigen wir ein und fahren heim.

Nicht jede Wanderung wirkt sofort. Oft ist es natürlich so, dass man schon unterwegs vor lauter „Ah!“ und „Oh!“ ganz heiser wird. Die Begeisterung schlägt zu. Manchmal braucht ein Wanderweg Zeit, um seinen Reiz zu entfalten. Bei diesem war Letzteres der Fall. Zuhause lief der Weg noch einmal vor meinem inneren Auge ab, und noch einmal. Ich ließ ihn Revue passieren. Schmeckte ihn nach. Erkannte erst jetzt, wie viele Details, mal weniger eindrucksvoll, mal mehr, wir „eingesammelt“ hatten. Wie viele unterschiedliche Momente wir erlebten. Welche Denkanstöße es gab. Wie zahlreich die historischen Plätze waren, an denen wir entlang wanderten oder die wir betreten haben.

Im Nachhinein bedauerte ich es zuerst, mich nicht vorher über die Örtlichkeiten genauer informiert zu haben. Dann aber suchte ich die Informationen zusammen, entdeckte dort Einzelheiten zu Rockenfeld oder zum Turner Kappel, die mir entweder nicht bekannt waren oder die ich bereits wieder vergessen hatte. Und da war es schön, den Orten so vorbehaltlos und ohne Wissen begegnet zu sein.

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Farbenspiel an einem grauen Tag.

Generell aber lautet mein Tipp: Schauen, welche Wege man beschreitet, und sich kundig machen. Und sich keinesfalls darauf verlassen, dass vor Ort doch sicherlich eine Hinweistafel etwas über die Kaisereiche erzählt oder über was-weiß-ich.

Was bleibt? Die Erinnerung an einen Nicht-Premiumwanderweg mit asphaltiertem Geläuf und breiten Forstwegen, der schon deshalb keine Chance hat, ein Prämienkränzchen zu bekommen. Das ist schön. Der Wanderweg wird nämlich einsam bleiben. Und das ist wirklich schön. Ob ich ihn noch einmal gehen werde? Ich weiß es nicht. Manche Wanderwege sollte man einmal genießen, und sie dann in der damals erlebten „guten“ Erinnerung behalten. Ob ich ihn weiterempfehlen kann? Ja, auf jeden Fall.

Nur darauf achten, eine bessere, weil wärmere Jahreszeit zu erwischen. Also etwas warten. Der Sommer ist ja vorbei, der Herbst ist nun da. Und schon bald heißt es:

Der Winter naht.

[tip]Update vom 10. April 2013! Rolf Zimmermann zeichnet nicht nur verantwortlich für die Website „Aktion ‚Rettet den Stadtwald'“, sondern auch für das „Rheinbrohler Wanderbüchlein“, aus dem ich wie folgt zitieren darf und dass Bezug nimmt auf die „Kaisereiche“ und das „Gebildeichshäuschen“ und somit etwas Licht ins Dunkel meines Beitrags bringt:

“Die Eiche wurde im Dreikaiserjahr (Bezeichnung für das Jahr 1888 im Deutschen Kaiserreich) gepflanzt. In diesem Jahr starb der deutsche Kaiser Wilhelm I. und wenig später – nach nur 99-tägiger Herrschaft – am 15. Juni auch sein ältester Sohn und Thronfolger Friedrich III. Ihm folgte ein Sohn Wilhelm II. als dritter Kaiser in ein und demselben Jahr.“

„Das Gebildeichshäuschen ist eine Wetterschutzkapelle im Rheinbrohler Hochwald und das Dachgebälk soll aus dem Holz einer einzigen Eiche gefertigt worden sein. Es gibt nur einen einzigen Altershinweis an dem Gebäude; im Dachgebälk ist die Brandmarkierung 1819 erhalten. Es ist der einzige fassbare Beweis, dass zu dieser Zeit die Kapelle in der heutigen Form bestanden haben dürfte, obwohl vieles auf eine weit frühere Erbauungszeit hindeutet.“

Das von Rolf Zimmermann verfasste Wanderbüchlein empfehle ich überhaupt. 3 Wanderwege um Rheinbrohl herum sind darin erläutert und mit GPS-Daten versehen, sodass sie nachgewandert werden können. Die PDF steht beispielsweise auf der Website von Bad Hönningen zum Herunterladen bereit: Rheinbrohler Wanderbüchlein

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[flagallery gid=39 name=Gallery]

[Die Galerie zeigt weitere Impressionen der „Durchs wilde Nonnenbachtal“. Die Galerie lässt sich mit den beiden Buttons unten rechts “bedienen”. SL – der linke Button – löst eine Slideshow aus, mit FS – der rechte Button – wechselt man in den Vollbildmodus. Für die richtige Anzeige der Galerie ist der Flash Player von Adobe notwendig.]

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8 Comments
  • F.Wrane
    Posted at 10:47h, 30 September Antworten

    Hallo,
    durch Zufall bin ich auf diese Seite gestossen, ich bin wirklich angetan von den Berichten. Sehr schön gemacht !
    FRED

  • sabine
    Posted at 18:08h, 28 April Antworten

    schöner Reisebericht, sehr schöne Fotos!
    Freue mich, dass ich deine Seite gefunden habe, weiter so! :)

  • Patrick
    Posted at 15:47h, 15 April Antworten

    Danke für das Bild, schön zu sehen das unsre Hütte noch steht :-) hoffe du hast der Anmerkung Taten folgen lassen und den Rasen gemäht und gewässert ?!

    • Georg
      Posted at 19:46h, 15 April Antworten

      Ich habe das Foto geschossen, bevor KD und ich die Hütte betreten haben. Und den Rasen habe ich so gemäht und gewässert, wie du das zu Hause auch immer gemacht hast. :P

  • Katrin
    Posted at 10:11h, 15 April Antworten

    Schöner stimmungsvoller und informativer – und erfrischender – Bericht!
    Bei diesen Temperaturen durch die Wälder zu streifen, ist wirklich mutig. Ich habe euch bis ins Aichtal bibbern und klagen hören. :-D
    Aber wirklich grau finde ich diese Jahreszeit nicht, wie man auch auf deinen Fotos sehen kann. Die Natur zeigt unglaublich viele Formen und Farbnuancen, ich finds faszinierend.
    Aber nun wird es ja wieder alles grün und bunt – und wir haben gestern schon mal ganz schön geschwitzt unterwegs.
    Ich schicke euch viele sonnige Grüße
    Katrin

    • Georg
      Posted at 19:45h, 15 April Antworten

      Wir waren sogar ohne Alkohol reichlich blau. Doch die letzten Tage haben ja gezeigt, dass es auch anders geht. Bei uns im Rheintal war’s dann gleich ein Temperaturanstieg von 0 auf 22 Grad, und das innerhalb von 10 Tagen. Jetzt ist genau das richtige Klima, wobei … jetzt sitze am PC. Klug ist das nicht. ;-)

  • Petra
    Posted at 09:59h, 15 April Antworten

    Das hört sich ja wirklich nach einer supertollen Tour an. Die müssen wir unbedingt auch Mal zusammen gehen :)

    • Georg
      Posted at 19:42h, 15 April Antworten

      Aber nicht zu früh, sondern erst, wenn die Malberg-Hütte auch geöffnet hat. :-)

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