"On the Road Again" - oder: der "Geopfad Tuffsteinweg" bei Weibern

„On the Road Again“ – oder: der „Geopfad Tuffsteinweg“ bei Weibern

"On the Road Again" - oder: der "Geopfad Tuffsteinweg" bei WeibernWer im Angesicht eines Wanderers das Wort „Asphalt“ in den Mund nimmt, läuft Gefahr, geteert und gefedert zu werden (eine Steigerung wäre vermutlich nur der „Biker“, bei dem ein Wanderer rasend schnell heiß laufen kann). Und was werde ich gleich machen? Genau, gehäuft das Wort Asphalt aufs Papier schreiben, denn die von mir für den vergangenen Mittwoch ausgewählte Strecke protzt geradezu mit diesem fußunfreundlichen Belag.

Nun bin ich ja jemand, der in den vergangenen Monaten oft von der Qual der Wahl gestöhnt hat: so viele – neue – Wanderwege, so viele schöne Wanderwege … wie soll ich mich da nur entscheiden? Und dann gucke ich mir für die erste Wanderung nach dem sogenannten kalendarischen Frühlingsbeginn den „Geopfad Tuffsteinweg“ („Georoute O“) aus. Es ist erstaunlich, doch auch ich tue Dinge aus gutem Grund. Die Wälder sind noch unansehnlich. Spröde-grau. Matschgründig. Schlafen noch ihren Winterschlaf. Das kann schön sein wie beim „Pyrmonter Felsensteig“, es kann aber auch in die Hose gehen, wenn die eigene Stimmung ähnlich der vom Wald verbreiteten ist. Nicht fröhlich-grün, sondern eben grau. Wie ich das umgehen kann? Ich suche mir einen Wanderweg aus, der auf Wald großteils verzichtet und diesen ersetzt durch – oweia! – Industriegelände.

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KurzInfo! Die „Georoute O“ („Geopfad Tuffsteinweg“) startet am Bahnhof in Engeln. Man erreicht ihn über die A 61,  Abfahrt Wehr, weiter auf der B412 in Richtung Nürburgring. Abfahrt in Richtung Weibern/Engeln nehmen, auf der K60 bis zum Abzweig rechts zum Bahnhof Engeln. Start- und Zielpunkt der Wanderung ist der Bahnhof; dort kann kostenlos geparkt werden. Von dort führt der Weg über 17,3 Kilometer und 433 Höhenmeter durch eine geologisch aufschlussreiche Landschaft.

Vier weitere Georouten führen in der Verbandsgemeinde Brohltal beispielsweise durch das namengebende Tal, um den Laacher See herum oder durch das Vinxbachtal.

Eine Wegekarte findet der Leser weiter unten. Über den Klickpunkt “drucken” stehen Optionen zur Auswahl, wie detailliert die PDF sein soll – am besten einfach ausprobieren, herunterladen und dann entscheiden, welche Version man bevorzugt. GPS-Tracks können ebenfalls abgerufen werden. Und die Karte kann mit Hilfe des Reiters über dem Kartenbild in unterschiedlichen Ansichten (beispielsweise bei “Google Earth”) betrachtet werden.

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Jeck, nicht wahr. Fast. Denn jeder Mensch hat seinen Lebenslauf. Meine Jugend erlebte ich in Weißenthurm, der 3B-Stadt. Bims, Bier und Blech. Oweia! Genau. Wenn wir rausfuhren mit unseren Rädern, kurvten wir vorbei an den Bimswerken vor Ort (oder hindurch), staubten einige Kilometer hinein in die Osteifel, die nicht weniger lasterhaft und laut war. Aber es liegt irgendwie in der Familie, der Vater Maurer, ein Opa Bimskraftfahrer, der andere Bauunternehmer. Mit Steinen hatten alle zu schaffen. Ich dagegen nicht, vielleicht ein Fingerzeig, warum ich diese Industrie, die Weißenthurm in den längst vergangenen Tagen einen gewissen Wohlstand brachte, mit einem interessierten (und einem seufzenden) Auge sehe. Die Osteifel ist für mich somit eher Heimat als der dicht geflochtene Wald weiter hinten in der Eifel.

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Heute geht es ins Blaue.

Natürlich fahre ich nicht mit solchen schweren Gedanken zum Bahnhof nach Engeln, meinem Startpunkt. Aber die Strecke dorthin ist geprägt von den erwähnten Betrieben. Noch hinzu kommen der Basaltabbau und die Tuffsteinindustrie, wobei letztere besonders Engeln und Weibern und den Dörfern drumherum ihren Stempel aufgeprägt hat. Die Erde ist links und rechts der Straßen aufgerissen, verwundet, man guckt in die Tiefe, wenn man sich an die Abbauberge heranarbeitet. Rekultiviert wird zwar hier und dort, aber die Erde ist verändert. Wenn jemand auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass der Mensch irgendwie irgendwo einen „ursprünglichen Naturzustand“ wieder herstellen könnte, werden ihm hier große Zweifel an diesem Ziel kommen. Jeder nur fingernagelgroße Fleck wurde hier umgegraben, aufgeschaufelt, weggebaggert, bis gar nichts mehr so ist, wie es einmal war.

Und ausgerechnet da will ich wandern.

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„… mit viel Tunnels und Geleisen und ’nem Eisenbahnverkehr.“

Ich hole deshalb länger aus, weil die eigene Bereitschaft entscheidend ist, sich auf die „Georoute O“ einzulassen. Es wird keine längeren „naturbelassenen“ Wegstücke geben (naturbelassen und seine Synonyme sind ohnehin Werbegags der Wanderindustrie, denn wenn ein Weg richtig naturbelassen wäre, gäbe es ihn nicht, und wir müssten uns den Pfad selbst mit der Axt schlagen) und keine echte Weltabgeschiedenheit tief in verwunschenen Wäldern. Keine tief in die Berge eingeschnittenen Täler und keinen Streichelzoo. Dafür aber anderes, was dies alles in meinen Augen aufwiegt – und noch einige Überraschungen und eine wichtige Entscheidung dazu! Also los, folge mir – ab auf den Asphalt!

Seit 1901 besteht die Schmalspurbahn, die vom Rhein hinauf bis Kempenich führt und dabei auch den kleinen Ort Engeln touchiert. Heutzutage fährt „nur“ noch der „Vulkanexpress“ von Brohl bis Engeln. Jetzt aber wartet der verwaiste Bahnsteig auf Karfreitag, den Beginn der diesjährigen Sommer-Saison. Vom Parkplatz am Bahnhof orientiere ich mich zurück zur Kreisstraße, die mich hierherbrachte. Hart am Straßenrand entlang bringe ich das erste schwarze Wanderstück hinter mich, schwenke bald ab auf einen Wirtschaftsweg und tauche unter der B412, die zum Nürburgring und weiter führt, hindurch.

Das nun folgende Stück ist verschneit und aufgeweicht und vereist, alles quer durcheinander – natürlich liebe ich in diesen Augenblicken, als ich bedächtig Fuß vor Fuß setze, den Asphalt. Die winterlichen Wege werden mir, mal mehr, mal weniger, bis zuletzt erhalten bleiben. (An dem Tag dachte ich noch: ein letzter Gruß des Winters – die Woche darauf sollte ich sehen, wie ich mich getäuscht habe).

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KurzInfo! Für die Wanderung ist gutes Schuhwerk ausreichend. Die Wege sind in aller Regel befestigt, Wirtschafts- und Forstwege wechseln sich mit asphaltierten Straßen ab. Nur wenige Teilstücke sind schmale Pfade. Proviant sollte wegen der Länge der Strecke mitgenommen werden, wobei beispielsweise in Weibern Möglichkeiten zum Einkauf bestehen und in den Ortschaften Gasthäuser vorzufinden sind. In den heißen Monaten sollte unbedingt auf Sonnenschutz geachtet werden (Sonnencreme, Kopfbedeckung), da größere Streckenabschnitte durch freies Wiesen- und Felderlandschaft führen.

Nicht vergessen werden sollte eine Wegekarte. An einigen Stellen sind die Wegemarkierungen nicht verlässlich (das gilt nicht für meinen Schlenker in Weibern, den ich auf meine eigene Kappe nehme.) Zum einen kann die hier angebotene ausgedruckt werden, zum anderen kann über die Verbandsgemeinde Brohltal die passende Karte „Brohltal“ (Wanderkarte Nr. 10 des Eifelvereins) bestellt werden. Das kann man sogleich mit dem Kauf des sehr empfehlenswerten Buches „Ein geologischer Führer“ von Prof. Dr. W. Meyer kombinieren, in dem nicht nur die fünf Georouten beschrieben, sondern deren geologische Besonderheiten ausführlich erläutert werden.

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Dann bin ich „Auf der Windkaul“, dem Zentrum der Weiberner Phonolithtuffdecke. Der Weg, gut umgepflügt von unsichtbarem schwerem Gerät, leitet mich an alten Tuffgruben vorbei; hinab kann ich zwar nicht, aber hier und da gelingt mir ein Blick hinunter in die Senken. Kaum zu glauben, aber „sowas“ wollte ich sehen. Bis nach Weibern ist es nicht allzu weit, der Weg schwingt sich vom Berg hinab direkt zum „Weiberner Schaufenster“.

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Ein Schaufenster zum Hineingehen.

Dort können die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten (ich bitte sofort um Entschuldigung für dieses Wortungetüm, aber mein Thesaurus bietet mir keine Alternative an, sodass wir alle mit den „Verwendungsmöglichkeiten“ leben müssen) betrachtet werden. Weibern berühre ich vorerst nur am Rande, denn es geht nun zügig – nach einem kleinen Schwenk in das Areal ums Steinsägehaus – den Berg hinauf. Der Riedener Berg ruft, und ich folge, so gut es geht, auf verschneitem Geläuf.

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„In den Lärchen“, linkerhand die Gelegenheit zur Besinnlichkeit.

Zwischendurch mache ich einen Abstecher in einen ersten Steinbruch: „In den Lärchen“. An diesem Ort werden auch gelegentlich Freiluft-Gottesdienste ausgerichtet. Bald wechseln sich wirklich schmale Pfade mit vom Schnee verhüllten Graswegen ab – also, wer sagt‘s denn! Sogar Spuren von zwei Skifahrern haben sich in die feste Schneedecke gestanzt, doch jetzt ist kein Wanderer außer mir unterwegs, und derart allein gelassen erreiche ich die Höhe.

Schon von weiter unten flappten mir die Windradflügel um die Ohren. Auf dem Berg aber wachsen sie vor meinen Augen zur vollen Größe. Hat was von Senckenberg-Museum, riesige Gestalten erheben sich vor einem, dass die Augen Zeit brauchen, um von unten nach oben zu klettern. Für die nächste halbe Stunde (plus Rastzeit) begleitet mich das monotone „Flapp — Flapp — Flapp“. Eine weitere Station erwartet mich mit der „Bimsgrube Hatzenfeld“, die ich aber wegen des Zauns, der sie umgibt, nicht einsehen kann.

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Flapp — Flapp — uuuund — Flapp

Zu Füßen eines der Riesen lockt eine Bank, nicht weit entfernt warnt mich ein Schild vor möglichem Eisabwurf. 14 Windräder mit einer Höhe von bis zu 150 Metern umrahmen den Blick, den ich von hier oben trotz allem genieße. Das „Flapp“ ist angenehm leise, sehr gleichmäßig und dürfte, wenn man sich darauf einlässt, gar bald in ein wohliges „Om“ hineingleiten.

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Hochbank.

Und die Augen kreisen derweil über die Eifel, knapp 540 Meter hoch sitze ich, ganz alleine mit meinen Windrädern. Der Wind weht mir um die Ohren, die Sonne lässt gar nicht mehr locker – und sie wird mich den ganzen Tag über nicht mehr aus den Augen lassen.

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Das neue Immergrün.

Der Abstieg fällt mir schwer. Aus solchen Momenten hinuntersteigen in ein Dorf – das ist keine verlockende Aussicht. Ich habe nichts gegen Weibern, warum auch, aber zwischen Häusern entlanggehen oder Autos hinterschauen ist jetzt nichts, was mein Herz höher jauchzen lässt. Aber ich mache das Beste daraus. Ich treffe die Entscheidung!

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Lädt zur Rast ein, doch ich lehne dankend ab.

Jeder hat ja sein Päckchen zu tragen. Der eine hat Angst vor der Höhe, die andere scheut sich vor Waldtieren. Ich missachte Hinweisschilder, vornehmlich die mit der Kennzeichnung des Weges. Und in Weibern entscheide ich, dass es nunmehr an der Zeit ist. Ja, ich treffe willentlich und bei vollem Verstand den Entschluss, mich zu verlaufen. Gehe also nicht nach rechts, wie man dies von mir verlangt, sondern nach links. Durch den Ort. Wende mich mal hierher, mal dorthin. Verlasse Weibern über einen Feldweg. Treffe eine ältere Dame, die genau wie ich über den spiegelglatten Weg holpert, und schaue eher beiläufig auf die Wanderkarte.

Oweia!

Der Experte für Outdoor und Touren____________________________________________________________________

Zurück in Weibern schaue ich mir in aller Seelenruhe das Gebäude des ehemaligen Bahnhofs an. Von außen. Es sieht verschlossen aus, und ich mag jetzt gar nicht an der Türklinke rütteln. Manchmal bin ich so. Warum ich überhaupt davor stehe und gucke? Ein Steinmuseum beherbergt dieser Bahnhof, und Führungen werden dort angeboten, wobei ich bezweifle, dass mich am heutigen Tag, außerhalb jedweder Saison, jemand an die Hand nehmen und führen will. Das wäre mir auch jetzt nicht lieb, besser wär‘s eine Stunde oder so zuvor gewesen, als ich rechts mit links und überhaupt durcheinanderwarf. Die Sandkaul dann aber, erreichbar durch eine schmale Straße, sehe ich mir aus der Nähe an. Eine große Schautafel, gut lesbar (warum dies erwähnenswert ist, kommt später noch, aber dann gewaltig), belehrt mich über die Aufschlusswand und was es mit den einzelnen Schichten auf sich hat. Das ist nicht jedermanns Sache, aber meine ist es.

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Ecke eines Tuffsteinhauses.

Damit relativiert sich der Weg durch Weibern natürlich. Wie soll ich dorthin gelangen, ohne den Ort zu durchqueren. Es geht nicht anders, es geht nur übern Asphalt. Der geht aber, sobald ich Weibern verlasse, schnell über in einen Wanderweg, um nach hundert Metern gleich hinauf in den nächsten Hang zu steuern. Der Humersberg steht mir bevor, harscher Schnee unter meinen Füßen, darunter weiches Gras, und alles vermengt durch das Tauen und Frieren, nur weil der Winter sich nicht entscheiden kann, dem Frühling endlich Platz zu machen.

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Er wartet wie ich auf den Frühling.

Schmatzenden Fußes komme ich bei der nächsten Schautafel an. Davon gibt es auch ein Foto. Anonyme Zeitgenossen haben hier nämlich ein Zeugnis ihrer  hirnfreien Zonen abgegeben. Wandern soll beruhigen, aber solche Augenblicke regen mich auf, und ein Augenzwinkern lang, nur ganz kurz, male ich mir aus, was ich mit dem vermutlich mit einer unglücklichen Kindheit geschlagenen Pöbelpack anfinge, gerieten sie mir hier und jetzt in die Finger. Wirklich, nur ein Augenzwinkern lang huscht dieses destruktive Denken durch mich, dann bin ich froh, meine Umwelt mit anderen Augen zu sehen als die.

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Wär was für Nick Tschiller, der könnte hier mal aufräumen.

Die Passage um den Humersberg präsentiert mir Wald, nach dem Anstieg geht dieser in Feld und Wiese über. Ein Stück entlang der B412, dann rauf zur Bernharduskapelle, die daran erinnern soll, wie Bernard von Clairvaux die Bürger von Kempenich zum Kreuzzug aufgerufen hat. [Ich kenne den Abt nicht persönlich, aber nachdem ich mich daheim übers Internet und die Wikipedia ein wenig schlaugemacht habe, sehe ich diese Kapelle aus einem distanzierten Blickwinkel: „Im Brief betont Bernhard den Aspekt der Sündenvergebung als Belohnung für die Teilnahme an einem religiösen Krieg, auch wenn er nicht als Kreuzzug gilt.“ Das ist nicht, worauf ein Bernhard stolz sein sollte.]

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An diesem Ort wurde zum Kreuzzug aufgerufen.

Von Kempenich sehe ich im Anschluss nicht viel. Der Weg führt eine kurze Weile an der Durchgangsstraße entlang, zweigt aber schnell in die nächste Erhebung ab. Für den folgenden Kilometer vergesse ich besser das Wort Wanderung, denn ich überquere die B412, folge ihr im Gleichklang, höre Autolärm und sehne mich nach dem „Flapp“ der erhabenen Windräder.

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Originelle Idee – den Weg gut einzäunen, damit ich dem Schnee nur ja nicht entkommen kann.

Als die Bundesstraße aber einen Knick weg macht von meinem Weg, hebt sich auch meine kurzzeitig eingetrübte Stimmung. Grasweg und Wirtschaftsweg wechseln sich jetzt ab, unterbrochen von einem weiteren Programmpunkt, der wieder mit einer Schautafel untermauert wird. Auch hierzu füge ich ein Foto an. Und nun: Kopf einziehen, ich hole aus.

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Hinschmeißschild.

Letztes Jahr erwanderte ich die „Georoute M“, 22 Kilometer lang: eine tolle Strecke! Abgesehen von den ersten drei oder vier Kilometern. Fehlende Richtungsschilder. Eine Schautafel fehlte komplett. Eine Schautafel stand angelehnt an den Haltepfosten. Wenn eine Wanderung, die man speziell auch wegen der Besonderheiten unternimmt, so anfängt, möchte man am liebsten gleich umkehren. Zum Glück entschädigten mich die übrigen 18 Kilometer mit Olbrück und Königssee und Rodder Maar und mehr, doch beispielgebend war die Georoute nicht.

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Ein Hauch von Heide.

Die „Rhein-Zeitung“ druckte am Wochenende ein Interview mit der rheinland-pfälzischen Tourismusministerin Lemke ab, in der auch das schöne Wörtchen „Nachhaltigkeit“ einfloss. Jetzt ging Frau Ministerin Lemke im Zusammenhang mit dem Tourismus, der in meinem Land nun auch mit verringerten finanziellen Mitteln gut gedeihen soll (erst die Mitarbeiter vor Ort mit neuen Projektideen impfen, dann die Mittel kürzen/streichen – und sie ruckzuck wieder allein im Regen stehen lassen), nicht sehr ausführlich auf diese ominöse, aber moderne Nachhaltigkeit ein. Doch ich habe eine Idee, was nachhaltig beim Tourismus, hier beispielsweise auf das Wandern bezogen, sein kann.

Nachhaltig wäre es, die vorhandenen Wanderwege in Schuss zu halten. Schautafeln beispielsweise auf den Stand der Zeit bringen, aktualisieren, wo es notwendig ist, und Schäden beheben. Nicht morgen oder bald oder „wenn die Haushaltslage es erlaubt“, sondern sofort. Das wäre nachhaltig, und es wäre ein Fingerzeig darauf, wie man der Region Eifel helfen kann. Auf längere Sicht, will man denn die Wanderer an sich binden und nicht nur für ein kurzes Schäferstündchen locken, bis der Traum wieder ausgeträumt ist.

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Das „Löschfilterverfahren“ und die, tja, gelöschte Seite (oder um es mit Kant zu sagen: „Die Vergänglichkeit allen Seins“).

Neue Wanderwege sind natürlich präsentabel. Wichtige Menschen können dann hübsche Bänder zerschneiden und auf Fotos lächeln und sich gemeinsam bei einem Gläschen Wein feiern. Vorhandene Wege aber pflegen, das bringt nicht mehr so viel Ehre ein. Das sollten sich weniger die örtlichen Tourismusbüros auf die Fahnen schreiben, denn die tun in meinen Augen das, was ihnen mit den vorhandenen Ressourcen möglich ist. Aber andere, in höheren Ebenen Weilende, die sich womöglich mehr für den Motorsport als fürs Wandern begeistern, sollten auch die weniger lauten Aktivitäten nicht aus den Augen verlieren. Das große Geld, sicher, wird woanders gemacht, aber statt das Geld in einen ring°racer („ruin°racer“ wäre mein Namensvorschlag) zu pumpen, der nun gottverlassen mahnt und nicht einmal „Flapp“ macht, sollten die kleinen Dinge gehegt und gepflegt werden.

Das fängt bei solchen unscheinbaren Schautafeln an.  Und endet nicht bei der spätantiken Nöbank, die das beklagenswerte Bild abrundet.

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Nö!

Die folgenden zwei Kilometer schliddere ich in sanftem Anstieg zu einer Tuffgrube. Schon aus der Entfernung dröhnt mir Motorengeräusch entgegen, der Verursacher entpuppt sich als Bagger, ein Laster brettert an mir vorbei. Die Beschilderung ist hier nicht ganz eindeutig, ich wende mich an der Schautafel aber nach rechts und folge dem Weg um die Grube herum – was sich als gute Entscheidung erweist. Zwischen Bergkuppeln hindurch verschafft mir eine kleine Anhöhe einen Blick zur Olbrück und darüber hinaus bis zum Petersberg, unendlich weit hinein in die Kölner Bucht. Ich verharre für einige Minuten, hinter mir der Krawall, vor mir die grandiose Aussicht. Ein Kontrast, der kaum gegensätzlicher sein kann, die Magie der majestätischen Weite im Blick, während hinter mir malocht wird. Das ist wieder einer der Momente, in denen mir die Mühsal einer Wanderung auf Heller und Pfennig zurückgezahlt wird.

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Olbrück und die Kölner Bucht.

Das letzte Stück steht an. Eine kurze Rast gönne ich mir noch, dann geht es hinauf zum bewaldeten Engelner Kopf. Mit fast 570 Metern ist er die höchste Erhebung auf der Wanderstrecke, und hier liegt noch mehr Schnee als zuvor. Ich weiche da vom Weg ab, wo mich ein schmaler Pfad hineinlockt in einen Steinbruch. Während ich wieder hinaussteige, kreuzt ein erster Schwarm Kraniche zwischen den Baumwipfeln, weitere folgen kurz darauf. Es sieht aus, als ob die Kraniche den Engelner Kopf als Landmarke nutzen. Der Frühling naht oder kündigt sich an, und ich stapfe durch den Schnee.

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Wenn man sucht, findet man auch die Pfade (hier geht’s aus dem Steinbruch wieder zurück ans Tageslicht.)

Den Berg umrunde ich zur Hälfte, dann sehe ich auch schon hinunter zu Start und Ziel. Die letzten Meter sind schnell vollbracht. Ich lasse die Wanderung langsam ausklingen, indem ich den Rucksack abwerfe (na, ich lege ihn in den Wagen), noch einige Schritte hin zum Bahnhof mache, mich dort über die Fahrzeiten informiere und mich mit Informationsmaterial ausstatte.

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Noch einmal: ein Riese auf dem Riedener Berg.

Es gibt Wanderungen, da bin ich schnell wieder von dannen. Heute aber gelingt mir das nicht. Die Beine sind müde. Durch die Schleife in Weibern, die ich noch eingebaut habe, schraubte ich die Streckenlänge auf immerhin knapp 20 Kilometer. Ich bin jetzt kein Mensch, der nun „Eindrücke verarbeiten“ muss, bevor er wieder bei Sinnen ist. Ich wandere, und eigentlich ist dann erstmal gut für mich. Fürs Nachdenken, meinetwegen auch „Nachfühlen“, brauche ich etwas länger. Diesmal nicht. Der Weg hat mich sehr beeindruckt. Und doch bin ich mir sicher, dass dies nicht jedem so gehen wird.

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Rechts geht’s nach Hause.

Was bleibt mir?

Die Vielfalt, die sehr unterschiedlichen Situationen, mit den ich konfrontiert wurde. Industrielärm und Stille. Die weiten Blicke hinweg übers Land. Die Wunden, die in die Berge geschlagen wurden und noch offen liegen und die Sicht auf Millionen Jahre Erdgeschichte unverhüllt freigeben. Weiche Pfade, manchmal verflucht rutschig und glitschig – und im Gegensatz dazu der Asphalt, auf einigen kurzen Episoden so, dass ich dem Autofahrer auf die Schulter klopfen könnte. Der Wind, der mir um die Ohren pfeift. Und die Kraniche, die dem Winter durch ihre Rufe erklären, er solle sich doch endlich davon machen! Es gibt so vieles, was mir gefällt, und nur weniges, was mir missfällt.

Das Wenige lässt sich regulieren, das Viele aber sollte bewahrt werden. Vergesst also bitte nicht die Wanderwege abseits der hoch-dekorierten Wege. Auch sie sind oft Schmuckstücke, vielleicht weniger prahlerisch als andere Wege mit Prädikat, aber dafür ganz nah bei der Heimat. Bei meiner Heimat.

Sie haben gewiss ihre Freunde – und sie werden neue Freunde finden.

Als ich ins Auto steige und den CD-Player starte, spielen Lynyrd Skynyrd „Sweet Home Alabama“. Ach, Jungs, wenn ihr wüsstet …

[flagallery gid=37 name=Gallery]

[Die Galerie zeigt weitere Impressionen der „Georoute O“. Die Galerie lässt sich mit den beiden Buttons unten rechts “bedienen”. SL – der linke Button – löst eine Slideshow aus, mit FS – der rechte Button – wechselt man in den Vollbildmodus. Für die richtige Anzeige der Galerie ist der Flash Player von Adobe notwendig.]

6 Comments
  • Rosi
    Posted at 09:55h, 14 März Antworten

    Schön, gedanklich an deinen Wanderungen teilnehmen zu können.Das bringt mir immer ein leichtes Schmunzeln ins Gesicht. Und wie du die Heimat deiner Grosseltern mütterlicherseits beschreibst, in deren Nähe sie ja aufgewachsen sind und einige Zeit gelebt haben, finde ich super :-) Die Eifel ist ein Wandergebiet, das interessante Eindrücke hinterlässt.Und jeden guten Wanderer ansprechen kann.

    Es ist wie jedes Mal ein beeindruckender Wanderbericht von dir und ich kann nur sagen;
    weiter so ;-)
    Rosi

    • Georg
      Posted at 20:03h, 16 März Antworten

      Die Eifel lässt einen anscheinend nicht los. :-)

  • Michael
    Posted at 16:01h, 12 März Antworten

    Hallo KG, :-)
    ich bin mir jetzt nicht so ganz sicher, ob du den Weg gut fandest, oder eher nur mäßig.
    Wir haben in der FB- Gruppe ja bereits einmal kurz darüber geschrieben. Ich bin diesen Weg im Hochsommer gewandert und mir hat er ausgesprochen gut gefallen. Nun bin ich natürlich auch kein Freunde der Asphaltwanderungen, aber wenn sich zum Ausgleich eine tolle Aussicht nach der Anderen bietet, dann ist das trotzdem sehr schön.
    Dein Bericht ist gewohnt unterhaltsam geschrieben! Mach immer schön weiter so – ich lese die gerne! :-)

    Gruss

    Michael

    • Georg
      Posted at 16:17h, 12 März Antworten

      Gut, dass du kommentierst, damit erinnerst du mich daran: Ich wollte doch den Link zu deinem „Kempenich-Video“ einbinden, und hab’s natürlich vergessen. Jetzt habe ich das nachgeholt und unter der ersten KurzInfo! darauf hingewiesen.

      Hab ich wieder verschwurbelt geschrieben? :-) Der Weg war topp, ich bin begeistert, jetzt noch, und nehme wie du Asphalt in Kauf, wenn’s dafür dann auch eine Belohnung gibt.

  • Elke
    Posted at 15:41h, 12 März Antworten

    DAS wäre nichts für mich gewesen, auch wenn die Fotos ein schönes Bild von der Strecke zeichnen.
    Ein umfangreicher und natürlich wieder sehr ansprechender Bericht. Immer wieder staune ich über den spielerischen Umgang mit der Sprache, den du zweifelsfrei beherrschst. Herrlich erfrischend!

    LG
    Elke

    • Georg
      Posted at 16:19h, 12 März Antworten

      Das meinte ich: der eine mag, die andere nicht. Jede Tour möchte ich ja auch nicht über Asphalt machen, aber die Kombination war für mich in Ordnung. Andere mögen anderer Ansicht sein, aber so hat halt jeder seine Vorlieben oder macht Zugeständnisse. Auch das muss man nicht, aber bei dem Wanderweg wusste ich ja vorher, was auf mich zukommt, insofern war ich vorbereitet und nicht enttäuscht.

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