100 Tage Heimat - Jens Franke

100 Tage Heimat – Jens Franke

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Gibt es einen Wanderer, der über die Ein-Tages-Tour hinaus nicht schon (wenigstens!) einmal vom »echten« Wandern geträumt hat? Wie sich das schon anhört: Ein-Tages-Tour – als ob’s zu mehr nicht gereicht hat. Gründe für das endliche Wandern hat natürlich jeder, angefangen vom immer gut ankommenden »hab keine Zeit« (damit dokumentiert man nicht nur für sich selbst, sondern auch Freunden gegenüber, dass man a) Wichtiges zu tun hat und b) jeder, der für so etwas Zeit hat, ja wohl sonst nichts Wichtiges zu tun hat) über das »kann meine Haustiere – Hund, Katze, Kanarienvogel, Kuh, Rinder – nicht solange allein lassen« bis hin zum »hab grad Malaise mit dem Rücken/Knien/Ganzkörper«.

Aber, jetzt mal ganz ehrlich, das ist doch alles Firlefanz, und das Einzige, was einen Wanderer davon abhält, den 50-Liter-Tagesrucksack nicht nur mit einem kargen Pausenbrot zu belasten, sondern auch mit Wechselwäsche (»Snob!«), ist die Furcht vor dem, was einen draußen erwartet. Die Abkehr vom Gewohnten, das kleine Abenteuer, das hinter jeder unbekannten Ecke lauert, ach, überhaupt diese … Wildnis!

100-Tage-Heimat
Jens Franke hat sich überwunden. Er ist hinaus in die Wildnis. Nach seinen Reisen in Norwegen, Schweden, Island und Österreich wurde es Zeit für eine andere Art der Wildnis. Das heimatnahe lockte, er wollte Deutschland erkunden. Folgerichtig betitelt sich sein gut 300 Seiten starkes Wandertagebuch auch »100 Tage Heimat«. Auf diese Reise nimmt er nicht nur seinen Husky Aiko mit, sondern packt sich noch uns, die Leser, mit dazu. Wobei ich mir sicher bin – nachdem ich Aiko durchs Lesen ein wenig kennen gelernt habe -, dass die Leser oft die größere Last sein können.

Doch kann man Deutschland in 100 Tagen erwandern? Nein, nicht ganz, weshalb es mich nicht verwundert, dass Jens Franke sich die Regionen herauspickte, die eine schöne Rund im südlicheren Teil der Republik ergaben. Eine Übersichtskarte hilft mir, die genaue Route mit den Stationen nachzuverfolgen. Und hier an der Stelle gleich ein Hinweis. In Zeiten des Internets nutzen noch allzu wenige Verlage die Möglichkeiten, die sich bieten. Jens Franke ist auf Zack. Nicht nur, dass dieses Buch auf seinem gleichnamigen Blog basiert, nein, auf seiner Seite 100 Tage Heimat bietet er ein großes Füllhorn an zusätzlichen Informationen an, die vielleicht nicht mehr ins Buch passten, gar nicht dorthin gehörten und viel besser auf einer Internetseite aufgehoben sind. Die erwähnte Karte dagegen findet sich sowohl im Buch als auch auf der Seite. Am besten einfach mal rüberschauen, dann sieht man sofort, wohin Aiko seinen Jens lotst (oder war es doch umgekehrt?): 100 Tage Heimat – Die Karte

Besonders angetan haben es Jens Franke offensichtlich die Nationalparks Hainich (nebst Werratal), Bayerischer Wald, Berchtesgaden und Kellerwald-Edersee, mit dem er seine 100 Tage abschloss. Daneben führen die beiden uns in die Fränkische Schweiz und auf die Alb und gleich noch südwärts ins Altmühltal, später nahe an die Alpen und auf die Alpenberge und flacher ins Fünfseenland, fast quer durch den Schwarzwald und hinauf zum Pfälzer Wald und zum Saar-Hunsrück-Steig. Allein beim Aufzählen merke ich, dass auch mir etliche Gebiete nur namentlich bekannt sind, andere dagegen auch durch meine Fußsohlen traktiert wurden.[tip]


•   100 Tage Heimat – Zu Fuß durch Deutschland
•   Autor: Jens Franke
•   Verlag:
Malik National Geographic
•   Erscheinungsjahr: 2013
•   Seiten: 304
•   Besonderheiten:
32 Seiten Farbbildteil und eine Karte
•   ISBN:
978-3-492-40525-6
•   Verkaufspreis: EUR(D) 14,99
•   Format: 18 x 12 x 2,4 cm[/tip]

Beides übt auf mich – den Leser – seinen Reiz aus. Die mir nicht bekannten Landschaften kann ich gemeinsam mit Jens Franke erwandern. Von dort berichtet er mir dann von dem, was er mit seinen Augen gesehen hat. Die Gebiete jedoch, die ich bereits kenne, lerne ich ein zweites Mal kennen. Ist ja auch klar, jeder Mensch sieht nicht nur anders aus, sondern guckt auch anders.

Aber »100 Tage Heimat« gewinnt meine Sympathie natürlich nicht nur aus der reinen Wegstrecke – worauf es ankommt, ist die Stimme, mit der erzählt wird. Die ist entscheidend dafür, ob ein Text überhaupt erst Lust aufs Lesen macht. Für mich ist die Erzählstimme wichtig. Und die »passt« hier hundertprozentig. Das liegt sicher auch daran, dass Jens Franke sich und mir nicht erspart, auch seine persönlichen Schwierigkeiten und seine jeweilige Verfassung in Worte zu fassen.

Das beginnt über die – täusche ich mich da? – zunehmende Ermüdung, wenn es um die Begegnungen von Mensch und Hund geht. Jens – der Pressesprecher von Aiko, wie er sich selbst bezeichnet – geht die oft wenig kreative Fragerei und der Deideisingsang langsam, aber sicher auf den Keks. Ich kann’s verstehen, kreativ sind die Fragesteller offensichtlich selten. Schön auch seine Reaktionen auf die Herbergen, die er aufsucht. In aller Regel hat er die vorab gebucht, trotzdem ist das Erstaunen nach dem Motto »wie, ein Hund, davon haben Sie aber nichts gesagt« oft groß, wenigstens aber … na ja … ehrlich. Wie der Deutsche halt so ist, möchte ich sagen, wenn er griesgrämig ist, dann aber ordentlich.

So verfolge ich auch mit, wie schön oder unschön manche Aufenthalte sich entwickeln – wobei ich den Eindruck habe, dass so quer Beet ein gutes Abbild von Befindlichkeiten der Menschen gezeichnet wurde. Irgendwie scheint’s auch eine Lotterie zu sein, die Wahl der Übernachtung. Und nicht weniger die Wahl des Restaurants.

Ach, wo ich beim Essen bin – das Buch macht Appetit. Jeden Tag begleiten wir Jens Franke als Mitesser. Akribisch führt er auf, was ihm serviert wird. (Läge da nicht ein Kochbuch »100 Tage Heimatessen« nahe?) Und das klingt oft lecker, und manchmal bedaure ich, dass das Internet es nicht geschafft hat, Gerüche weiterzugeben. Sein Augenmerk legt er dabei auf regionale Gerichte, er will die Regionen nicht nur erwandern, sondern auch sinnlich erfahren.

Und das sinnlich erfahren beschränkt sich für ihn, für Aiko und den Leser nicht nur aufs Essen (und Trinken!), sondern natürlich auch auf die Landschaften. Und hier komme ich auf die Erzählstimme zurück, mit der ein Autor sich den Leser schnappt – oder eben nicht. Mich schnappt er. Jens Franke berichtet nicht nur, nein, er lässt uns teilhaben. Führt uns die Wälder und Wiesen vor Augen, lässt sie uns mitsehen, mithören, manchmal mitriechen – also mit erfahren. Das macht, wie gesagt, den besonderen Reiz aus. Ich gehe quasi an seiner Seite und sehe viel von dem, was die beiden Weggefährten sehen. Natürlich alles im Rahmen dessen, was ein Buch möglich macht.

Zwischendurch erhält er Begleitung. Seine Freundin Lena besucht ihn und wandert ein Stück des Weges mit, Freunde und Begleiter gehen ein Teil der Strecke gemeinsam mit ihm, so dass wir auch von ihnen etwas erfahren und darüber hinaus auch von den Ansprüchen, die das Leben »außerhalb« der 100-Tage-Wanderung an ihn stellt, denn das Handy ist mit dabei. Aber mir drängt sich das Gefühl auf, er habe diese Standleitung zur Zivilisation am Ende gar nicht gebraucht.

Für mich war’s dann auch besonders schön, Erinnerungen wieder aufleben zu lassen. Im Nationalpark Bayerischer Wald war’s der Borkenkäfer, der vor meinem inneren Auge wieder auflebte (gut, das gehört jetzt zu den weniger schönen Erinnerungen), im Schwarzwald auf dem Feldberg der ganz weite Rückblick zu den ersten Urlauben mit den Eltern in den 60er-Jahren. Der Pfälzer Wald mit dem Dahner Felsenland. Und die Fränkische Schweiz, die Petra und ich in diesem Sommer selbst erwandern wollen. Keine Ein-Tages-Tour. Eine Woche lang …

Vielleicht hat mich deshalb auch Jens Frankes Wanderbuch gleich auf Anhieb fasziniert. Im Kleinen möchten wir auch einmal von diesen schlappen »ein Tag ist lang genug gewandert« ausbüxen. Nicht so rigoros wie er, denn immerhin hat er die 100 Tage durchgängig aus dem Rucksack gelebt. Aber ein kleines Abenteuer sollte man sich auch auf die älteren Tage zutrauen. Das Abenteuer beginnt gleich vor der eigenen Haustür.

Zum Abschluss trifft er am Affolderner See einen Menschen, der ihm sein Fernglas leiht. »Während er mir weitere Fragen zu meiner Reise stellt, sehe ich anfangs ein unscharfes nebulöses Bild einer Seenlandschaft.« So ähnlich sehe ich Jens Franke auf seiner 100 Tage währenden Wanderschaft. Sein Blick auf die Heimat wird anders, vielleicht schärfer, genauer. Für mich ist’s im guten Sinne ein liebevoller Blick auf die Heimat. Für andere Leser ist es vielleicht auch ein Ansporn, über eine längere Wanderreise nachzudenken. Wir denken nicht länger drüber nach, wir machen’s.

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Jens Frankes Seite zu »100 Tage Heimat« lohnt auf jeden Fall einen Besuch – aber genügend Zeit einplanen, es gibt viel zu sehen und zu lesen. Nachfolgend ein paar Tipps:

100 Tage Heimat – Die Startseite

100 Tage Heimat – Die Karte

100 Tage Heimat – Häufig gestellte Fragen (natürlich mit der Frage, was alles im Rucksack war)

Leseprobe aus 100 Tage Heimat (der Link führt zum Piper Verlag)

Und zum Abschluss biete ich noch das Interview mit Jens Franke als Video an:

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