Frühmorgens durch das Pietzmoor bei Schneverdingen

»Rrrrriiiinnnngggg!!!“« (Ja, einem Wecker sind gesetzlich sogar drei Ausrufezeichen erlaubt!) … Morgens um halb 6 ist die Welt noch in, äh, Ordnung.

»Aber doch nicht im Urlaub!«, rufe ich durch die Gänge des Hotels Schäferhof, doch mein Ruf verschallt ungehört (oder doch nicht, nur muckt keiner auf, vielleicht weil ich meinem Satz noch einige sehr unflätige Schimpfworte folgen ließ, die in den Hotelzimmern für Angst und noch mehr Schrecken sorgten?) Jedenfalls lass ich meinen Unmut am Wecker aus, der sich heutzutage ja als Smartphone tarnt. Kluger Schachzug von ihm, denn wo man früher noch den Wecker scheppern gegen die Wand pfeffern konnte, ist der moderne Wecker ja ein Multitalent, sodass er ja doch … vielleicht … nochmal nützlich sein könnte. Das sichert ihm, dem getarnten Smartphone-Wecker, das Überleben.

Petra und ich schälen uns also aus den Betten und den Schlafanzügen, ich lege meine Schlafmütze (Beamte tragen so etwas natürlich in der Freizeit) fein säuberlich auf Köfferlein, entfülle die Wärmflasche und schlüpfe aus den Warmhaltesocken. So entblößt nähere ich mich der Dusche, lasse kaltes Nass über meinen Leib tröpfeln und wache langsam auf. Behutsam nähert sich sodann die Erinnerung, nämlich daran, warum der Wecker so früh weckerte. Das Pietzmoor lockt.

Und das Pietzmoor in der Nähe von Schneverdingen ist ein echter Frühaufsteher. Womöglich, um all die neugierigen Touristen und Freunde des Moors gut verteilt über den Tag rundherum bringen zu können. So reihen wir uns also draußen ein in die kurze Schlange, die zum Pietzmoor tapern möchte. Genauer gesagt, besteht diese Schlange aus zwei Touris. Petra und mir. Und Herrn Brockmann.

Jan Brockmann ist Heide-Ranger in der Lüneburger Heide. Er wird uns heute durch das Pietzmoor führen. Das ist gut so, denn wer sollte uns das Moor kenntnisreicher näherbringen als er? Jan Brockmann studierte Biologie, war für die Umweltstiftung WWF tätig, leitete die Naturwacht Brandenburg und kehrte vor zehn Jahren in seine Heimat, die Lüneburger Heide, zurück, um diese als Heide-Ranger den Menschen näher zu bringen.

»Näherbringen« ist das richtige Stichwort. Nach nur wenigen Metern auf befestigtem Weg sichten wir das Pietzmoor. Wo es für Besucher anfängt und aufhört, lässt sich leicht an den Holzbohlen ablesen. Über diese wandern wir quer durch das Pietzmoor. Wobei »quer« nicht ganz richtig ist, denn wir bewegen uns auf ausgetretenen Pfaden. Vom 16. Jahrhundert bis in die 60er-Jahre nutzten die Bewohner der umliegenden Region das Moor zur Torfgewinnung, um den so gewonnenen Torf dann als Brenn- und Heizmaterial zu verwenden. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Moor methodisch entwässert, wofür Gräben und Dämme zum Transport des Torfs errichtet wurden. Die Dämme sind auch heute noch sichtbar, und die Holzstege führen darüber. In den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde das Pietzmoor renaturiert. Heute führt ein mit Holzbohlen abgesicherter Wanderweg durch das Pietzmoor. der rund 5 Kilometer lang ist und in einer guten Stunde erwandert werden kann.

Dieses Hochmoor entstand vor rund 10.000 Jahren. Das Pietzmoor ist das größte zusammenhängende Moor in der Lüneburger Heide, und entsprechend beeindruckt sind wir, während Jan Brockmann uns alles, was wir wissen möchten, erzählt, bevor wir überhaupt eine Frage an ihn richten müssen. Als kleine Zwischenspiele tauchen hier und da tierische Begleiter auf, Enten und ein Kranich-Pärchen, das in gehörigem Abstand am Waldrand mit seinen beiden Jungvögeln hin und her stolziert. Der niedrige ph-Wert des Hochmoors bedingt, dass beispielsweise Fische, Muscheln oder Schnecken keine Lebenschance haben, während sich Libellen oder der Moorfrosch pudelwohl fühlen.

Und wir haben Glück, denn just jetzt blüht das Wollgras. Während es in unserem heimischen Teich eher ein Schattendasein fristet, leuchten die wolligen Knäuel sogar an diesem diesigen Morgen. Bei den Wollknäueln handelt es sich im Übrigen nicht um die Blüten der Pflanzen, sondern um den Fruchtstand, der später mit dem Wind davongetragen wird.

Für einige wenige Schritte verlassen wir die sicheren Holzbohlen, um den Torfmoos-Schwingrasen eigenfüßig zu testen. Es schmatzt ganz ordentlich unter uns, aber wie uns Jan Brockmann versichert, sind Moorleichen kaum das Resultat unvorsichtiger Menschen, die sich bei Nacht verirrten und im schmatzenden Moor versanken (während der Hund von Baskerville im Hintergrund heulte).

Da wir noch frühstücken und anschließend den Wilseder Berg erklimmen wollen, beenden wir die Wanderrunde durch das Pietzmoor früher, als uns lieb sein kann. Wir hätten noch stundenlang bleiben können, um das rege Leben ums Moor zu beobachten. Doch die Zeit drängt.

Meine Tipps: Genügend Zeit mitbringen. Der Rundweg ist nicht lang, doch auf seine ganz besondere Weise spannend. Dann wandern, wenn andere noch frühstücken/schon Abendessen/das Auto waschen. Nicht an einem Sonntag bei strahlendem Sonnenschein kurz nach dem Mittagessen gehen. Die Holzbohlen sind zwar breit genug, dass zwei Menschen sich aneinander vorbeischieben können, doch wer mag schon dort stehen bleiben und schauen, wo schon ein Dutzend andere stehen und schauen? Früh morgens, um die Zeit des Sonnenaufgangs, muss es unglaublich sein. Wenn die Sonne scheint. Aber auch bei schlechtem oder durchwachsenem Wetter, wie wir es großteils an diesem Morgen erlebten, schenkt uns das Pietzmoor seine faszinierenden Facetten – wir sind still begeistert.

Und wer es ganz richtig machen will, wendet sich an Jan Brockmann. Als freiberuflicher Heide-Ranger gibt er sein Wissen gegen ein höchst angemessenes Entgelt weiter (eine Preisliste findet sich auf seine Webseite). Interessant ist das natürlich für Kleingruppen, die sich das besondere Erlebnis gönnen möchten. Wir waren von unserer Führung durch das Pietzmoor rundum begeistert.

Das Pietzmoor liegt nicht direkt am Heidschnuckenweg. Wir sind aber froh, dass wir das Pietzmoor im Rahmen des Bloggerwandertags erleben durften. Ein spezieller Höhepunkt, den ich jedem, der in der Nähe ist oder einen Abstecher vom Heidschnuckenweg einplanen kann, ans Herz lege.

 

Zum 1. Tag geht es hier entlang: Von Spinnerei und Heidehexe und dem Gold der Lüneburger Heide

Zum 2. Tag geht es hier entlang: Von Heidschnucken und Heide pur am Heidschnuckenweg

Zum 3. Tag geht es hier entlang: Auf dem Heidschnuckenweg von Niederhaverbeck nach Undeloh

Zum 4. Tag geht es hier entlang: Auf dem Heidschnuckenweg von Undeloh nach Handeloh

Petras Bericht von Spinnerei und Schäferhof: Von einer Heidjerin und einem Heidschnucken-Schäfer

Petras Bericht über die Vorzüge des Heidschnuckenwegs: Wie meine Höhenangst den Heidschnuckenweg lieben lernte

 

[Hinweis! Unsere Bloggerreise wird von den Top Trails of Germany und der Lüneburger Heide GmbH und Einrichtungen vor Ort gesponsert.]

 

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