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Oha, dem Eselschen fehlen ja die Ohren! – oder: die Traumschleife Murscher Eselsche

Jubelnd steige ich aus dem Auto. Ich muss heute nicht mit meinem Diktiergerät herumfuchteln (und, noch schlimmer, reinquasseln!) Ich bin allein – und trotzdem muss ich nicht mit mir selbst reden. Kaum zu glauben, was für Glücksgefühle doch das Fehlen von technischem Firlefanz erzeugen kann. Wobei – da ich heute nicht nur allein wandere, sondern auch die Hinfahrt (und Rückfahrt, aber die kommt ja erst später) allein mit mir verbringe, konnte ich mich mit Entspannungsmusik auf die anstehende Wohltatwanderung einstimmen. Motörhead beispielsweise empfiehlt sich sehr, wenn man 1. allein im Auto sitzt und 2. hernach wirklich zügig in die Entspannungsphase hineinschwingen will. CD-Player aus, und der Stress fällt ab wie welkes Laub im Wind. Versprochen.

Oha, dem Eselschen fehlen ja die Ohren! - oder: die Traumschleife Murscher Eselsche

Jakob-Kneip-Museum

 Ach, wohin fuhr ich denn überhaupt mit dem zerquetscht aus dem CD-Fach nöhlenden Lemmy? Zur »Traumschleife Murscher Eselsche« bei Morshausen im Hunsrück! Parken kann man an der Bürgerhalle, aber Lemmy treibt mich so an, dass ich durchs beschauliche Dörfchen brettere und erst kurz vor der Jakob-Kneip-Eiche jenseits des Dorfes zum Stehen komme. Das ist aber nicht schlecht – der Parkplatz dort ist auch wirklich als alternativer Einstiegspunkt vorgesehen -, denn so wandere ich, nachdem ich Lemmy das Mikro aus der gerissen und die Whisky-Flasche in die Hand gedrückt habe, erst einmal durch die Gassen von Morshausen.

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Zahme Zwergeselschen

 Schaue mir den Schwengelbrunnen ein wenig abseits der Route an (von dem ich jetzt auf die Schnelle gar nichts mehr berichten kann, wiewohl ich sicher war, ein Foto der kleinen Hinweistafel gemacht zu haben – doch vermutlich war ich so tiefenentspannt, dass ich nur im Geiste auslöste. »Ommm«. Und das historische Backhaus aus dem 16. Jahrhundert, das 1910/11 am selben Ort wieder aufgebaut wurde. Heutzutage beherbergt es eine Dauerausstellung zu Ehren des Heimatdichters Jakob Kneip (ja, er bekam die vorhin erwähnte Eiche, also, nicht aufs Auge gedrückt, auch nicht verliehen, mehr so – auch – zu ehren.)

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Eifelblick

 An der Bürgerhalle vorbei wandele ich also wie von Sinnen aus Morshausen hinaus, halte mich links, gleite über den Wiesenweg hinweg und lasse mich von den immer präsenten – soll heißen: Verlaufen ist nicht drin – Hinweisschildern sanft bergab entführen. Bis zum ersten Ausblick. Rüber zur Eifel. Eigentlich. Hatte ich erwähnt, dass ich heute bei der Wetterwahl kein glückliches Händchen hatte? Diesig nennt man gemeinhin diese Sorte Wetter, beschissen wäre passender. Aber es regnete nicht, und tiefenentspannt nimmt man ja sowieso alles viel lässiger als sonst.

 

 

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Die folgende Kreuzung präsentierte mir gleich drei Tafeln mit den Bergen jenseits der Hügel des Hunsrücks. Viel Aussicht nahm ich da zwar nicht mit – ein Wasserwerker wies mich darauf hin, das rundherum Wasserland sei, weil ein Rohrbruch (es lag mir auf der Zunge zu fragen: »Hier in der Walachei?«) vorläge. Die Wiese im Hang bedankte sich sicher für die saftige Extraportion Wasser, ich machte meine drei Fotos und wischte ohne nasse Füße rasch davon. Bei guter Sicht aber – aufgemerkt! – sieht man von dort, wo das Wasser floss, die Nürburg, den Krufter Ofen, den Hochsimmer (den muss ich immer erwähnen, ich liebe ihn aus nicht nachvollziehbaren Gründen) und – hoppela! – den Laacher See. Nun gut, vielleicht kommt da das Wasser her …

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Windiger Weg bergab

An der Wiese im Hang entlang passierte ich eine Wurzelbank Und pfiff mir ein Liedchen zwischen weiteren Wiesen, bis mich Jupp der Zechenarbeiter nach Ziel und Sinn meines Wanderns fragte. Am Waldeingang, kurz vor dem Abgang ins Tal. Na gut, so ganz echt war dieser Jupp natürlich nicht, der alte Holzmichel, doch das neben ihm angebrachte Schild erzählte mir mehr zum Zechenpfad. Wie überhaupt an jedem markanten Örtchen eine solche Hinweistafel positioniert ist – ein weiterer Beleg dafür, dass man nach dem Wandern nicht nur müder, sondern auch klüger als wie zuvor ist.

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Erzgrube Theresia

Wie die Bergleute vor 150 Jahren marschierte ich auf dem gewundenen Pfad hinunter, vorbei am oberen und mittleren Schacht, landend am unteren Schacht der Erzgrube Theresia, in den man hingucken kann, aber nicht hineingehen (als Fledermaus würde ich einem solchen Eindringling auch was husten).

Bald darauf ist der Talgrund erreicht, jenseits des offenen Terrains gluckert der Baybach, den ich nach einem Übergangsstück (sprich: erstmal tut sich nicht viel, bis …) sehe, als ich eine 180-Grad-Kurve verfolge. Am dortigen Parkplatz läuft übrigens auch der »Forellenweg Burgen« entlang, den ich längst einmal wandern wollte … Jedenfalls schlurft der Weg am »Hotel Forellenzucht« vorbei, in dem sich zu anderer Stunde (es war recht früh am Tag) sicherlich gut einkehren lässt, denn es gibt Wild und Fisch und vielleicht sogar etwas für Veganer und Vegetarier und Pescetarier ja sowieso.

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Im Baybachtal mit Blick auf die Forellenzucht

Bald umfängt mich wieder Wald, ich schaue noch Männern beim Tagwerk zu (sie bringen das alte Zechenhaus auf Vordermann), aber nicht zu lange, denn anderen beim Arbeiten zuschauen ist gemein. Und macht müde. Zudem der Baybach zwar munter, aber sehr gleichförmig neben mir herfließt.

An dieser Stelle ist es Zeit, ein Fazit zu ziehen. Ja, ich bin meiner Zeit voraus, mein Fazit kommt überraschend früh. Andererseits vergesse ich oft das Fazit, weswegen es gut ist, es dann, wenn ich dran denke, einzufügen. Das »Murscher Eselsche« ist (fast) mein perfekter Wanderweg. Ja, wäre auch ein Wunder, wenn der Immernörgler dieses »fast« nicht im Fazit mit drinhätte. Aber ich bin ja von einer bestimmten Sorte. Ich bin ein 3B-Wanderer. Meine Wanderwege müssen, um nahe ans Ideal zu kommen, Burgen, Bach und Beiwerk haben. Bach hat diese Traumschleife ja reichlich, neben dem Baybach fließen ihm noch etliche kleine Bäche bei (der Karlauer musste sein). Beiwerk klingt natürlich despektierlich, ist es doch bei den meisten Wanderwegen das Salz in der Suppe. Schöne Aussichten zähle ich dazu. Die hat diese Traumschleife viele, sehr viele. Und dies und jenes, was ich jetzt nicht weiter aufliste. Aber wo ist die Burg? Ich interessiere mich fürs Mittelalter (ja, den Karlauer, dass ich doch übers Mittelalter schon längst drüber bin, brauche ich jetzt nicht), also muss sich bitteschön immer irgendwo in einem Winkel ein Bürglein verstecken. Sonst fehlt mir was. Ich ziehe also mal einen halben Punkt fürs Burgenfehlen ab. Aber 99 ½ Punkte ist doch auch ein gutes Ergebnis. Fazit: Wandert auf dem Murscher Eselsche. Aber nicht alle auf einmal, denn das Eselschen hat eine zarte Seele, die vor vielen Jahren arg beschädigt wurde. Doch dazu später mehr.

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Franzenmühle (im Hintergrund)

Die Franzenmühle lasse ich rechts liegen, die niegelnagelneue Brücke links liegen, wobei ich sie natürlich benutze, um trockenen Fußes über den Baybach zu gelangen. Ein Rastplatz lädt mich ein, ich winke ab, um gleich darauf in den Hang einzusteigen. »Haacks Köppsche« lockt, ein Mann, der im 20. Jahrhundert zu Ehren von Hermann Löns (heute hab ich’s aber mit dem »zu Ehren«) an dieser Stelle einen Naturpark errichtete. Georg Haack verschwand bald darauf mit seiner Familie bachaufwärts, seine Tiere mit ihm, und der Naturpark überließ sich wieder gänzlich der Natur. Zu sehen sollen noch einige Grundmauern sein, aber über die schwebte ich vermutlich einfach hinweg – »Ommmm« -, weswegen ich sie übersah.

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Die Brücke am Bay

Das »Murscher Eselsche« ist sehr geordnet. Es hat einen Abstieg. Es hat einen flachen Teil. Es hat einen Aufstieg. Aus dem Baybachtal hinauf bis zum Murscher Eselsche und noch weiter. In Schlangenlinien zockelt der Pfad hinan, manchmal unterbrochen von einer kurzen ebenerdigen Passage, manchmal mit Trittstufen befestigt oder mit Seilversicherungen geschützt. Alles sehr solide gemacht, alles bestens in Schuss gehalten. Und trotzdem sollte man auf gutes Schuhwerk achten, mit rutschigem, ausgelutschtem Profil geht man natürlich ab wie Luzi, und spätestens kurz vorm Eselschen hat’s dann einige Meter abwärts, bis man irgendwo und irgendwann wieder Halt findet.

Ach, das arme Eselschen. Kurz nach dem Krieg taten Jungs das, was sie am liebsten tun. Mist bauen. Sprengten dem Eselschen Ohren und Kopf ab (wobei jetzt die Frage ist: erst die Ohren und dann den Kopf, oder den Kopf samt der Ohren?). Als Eselschen erkennbar ist es also nicht mehr, aber seinen Namen durfte es behalten. Wäre ja sonst noch schöner gewesen! Trotz der dummen Tat lässt das Eselschen auch heute noch zu, dass der Wanderer ihm auf den Rücken steigt (Vorsicht, sonst Abgang vom Abhang!) und die Aussicht genießt.

Noch ein paar viele Meter, und der Aufstieg ist soweit geschafft. Aber noch kommt was. Drei Aussichten, die Erste garniert mit Tischen und Bänken in reichlicher Zahl, was ein Hinweis darauf ist, wie gut besucht an schönen Tagen dieses wunderschöne Plätzchen ist, an dem auch ich alle viere von mir streckte. Weiter geht es, denn nach Aussicht Süd kommen noch Aussicht West und Aussicht Nord. Diesigkeit leider allerorten. Und so schlich ich gut gelaunt, doch mit viel zu wenigen guten Ausblicken belohnt nach Morshausen. Dort hätte ich auch noch im „Gasthaus Schmitt“ einkehren können, aber …

… im Auto wartete Lemmy auf mich. Viel hatte ich ihm zu erzählen. Wie kurzweilig die Traumschleife ist, wie viele weite Blicke ich werfen durfte (und noch hätte werfen dürfen), wie munter der Baybach und seine Beibäche blubberten. Wie überhaupt das »Murscher Eselsche« ganz knapp dran war, zu meinen drei oder vier oder fünf liebsten Wanderwegen gezählt zu werden. Lemmy musterte mich (reichlich angeheitert zwar, aber das ist er ja immer). Ob ich dem Eselschen denn nicht eine zweite Chance geben wolle. Er habe mit zweiten Chancen gute Erfahrungen gemacht, eigentlich sei seine ganze Karriere eine einzige zweite Chance gewesen. Bevor er wieder in sein branchenübliches Lallen fiel, schob ich ihn zurück ins CD-Fach, nicht ohne ihm noch ein »klar, Lemmy, das Eselschen gucken wir uns nochmal an. Und jetzt halt’s Maul und sing« hinterherzuwerfen. Und Lemmy sang – oder tat das, was er für Singen hält – von Morshausen bis Neuwied. Auf der Rückfahrt jedenfalls war ich waaahnsinng tiefenentspannt. Trotz Lemmy.

»Ommmmm«

 

2 Comments
  • Elke
    Posted at 20:12h, 24 März Antworten

    Seeeeehr kurz und man merkt, es macht dir Spaß einfach mal loszuziehen und nicht jeden Meter genau zu beäugen, zwecks Niederschrift ins Wanderbuch :D

    Besuche das Eselsche, wenn Laub an den Bäumen hängt, auch altes macht sich gut, so kurz vor dem Runterfallen. Die Felder reife Ähren tragen, dazu eine Portion Sonne, damit du auch den Schweiß deines Tuns spürst, das ist die rechte Wanderzeit für das Eselsche.

    • Georg
      Posted at 11:02h, 03 Mai Antworten

      Vielleicht kann ich das Eselsche wirklich in diesem Sommer nochmals beäugen.

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